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Die basale Mimesis folgt nicht den Objekten selbst, sondern sie ist die Nachahmung desjenigen Weltbezuges, den Alter für Ego vorschematisiert. Schon das Kind sieht die Objekte nur infolge der Übernahme der deiktisch induzierten Fokussierungspraxis seiner Bezugsperson in einem stabilen Objektumfeld. Zugleich weiss aber Alter von Ego, dass Ego das Sehen Alters zu sehen versucht. Ist derart die Vorstellungsbildung immer schon über den Anderen vermittelt, so wird man davon ausgehen müssen, dass dieser Andere zwar anfänglich – nach Tomasello – die Bezugsperson des Kindes sein mag, er sich später jedoch zum internalisierten Anderen, zur Repräsentation des Interpretanten in der inneren Rede der Selbstverständigung transformiert. In diesem Sinne ist Objektbezug immer triadisch. Er mag sich in eine explizite Szene der Kommunikation von Ego und Alter über ein Objekt auffalten, aber in der Regel wird die Vorstellungsbildung einen subjektsinternen Abgleich der Selbstverständigung mit der vorhandenen Instanz des Interpretanden vollziehen. [12] Die Intersubjektivität der Zeige-Sprech-Szene ist in diesem Sinne zu verstehen: Die Deixis verständigt Ego und Alter über das zu Sehende, die Rede als per se intersubjektive Zeichenpraxis unterscheidet am Gesehenen den Gegenstand und den Bildträger, das Gemeinte konstituiert daraus das Bild.

Folgt man dieser Beschreibung, dann wird evident, dass ‹Bild› der Name für eine rekursive Verfahrensweise ist. Bevor wir ein Bild haben, müssen wir gesehen und aufgrund des Sehens unterschieden haben. Paradoxerweise gilt auch die Umkehrung: Bevor wir ein Bild haben, müssen wir unterschieden und aufgrund der Unterscheidung gesehen haben. Etwas als etwas zu sehen, setzt Fokussierung voraus, Unterscheidung von Vorder- und Hintergrund: Erst diese Unterscheidung gibt etwas zu sehen. Aber zugleich wird es ein Etwas sein, das überhaupt die Notwendigkeit anstösst, zu sehen. Es liegt also eine rekursive Doppelbindung vor: Unterscheiden ermöglicht Sehen et vice versa.

Ist dies vorausgesetzt, dann haben wir Wahrgenommenes, Vorstellungen. Nehmen wir nun an der Vorstellung die Markierung-zum-Bild durch jenen Prozess der Selbstverständigung vor, den man Bildbewusstsein oder Zeige-Sprech-Szene nennen kann, dann haben wir ein Bild. Nach alledem sagen wir, wir hätten ein Bild gesehen und glauben in der Regel, dies sei der Anfang gewesen, den man nun als das Gegebene der Phänomenologie den entsprechenden Prozeduren unterziehen kann.

In unserer normalen (vorkritischen) Selbstwahrnehmung steht das Bild am Anfang eines Prozesses, es widerfährt uns eher, als dass wir es erzeugt hätten. Aber es ist das Ergebnis einer komplexen Vermittlung.

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