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Auf diese Weise ist das Buch eine luftige Zeichnung geworden, selbst wiederum eher ein Skizzenbuch von handlichem Format, in dem ein Autor mit freier Hand lange Betrachtetes schnell zu Papier bringt. Nahezu jeder Strich sitzt; und dort, wo ein Linienzug fragend abbricht, wird etwas offen gelassen; so bleibt eine unbeschwerte Vorläufigkeit bestehen.

Keineswegs sollte man solche äussere Form als verspielten Manierismus abtun: auch wenn Nancy es an keiner Stelle ausspricht, so gibt Le Plaisir au dessin deutlich zu verstehen, dass es sich um den Versuch handelt, dem, wovon der Text inhaltlich handelt, der Offenheit der Zeichnung und der Lust an dieser, auch in der formal-sprachlichen Ausführung zu entsprechen. Nancy möchte nicht über das Zeichnen, die Zeichnung und die Freude an der Mimesis schreiben, sondern im Medium der Schrift angemessen darauf antworten. Dem liegt die seit Heidegger wirksame Annahme zugrunde, dass auch philosophische Sprache dem Gedanken gegenüber nicht neutral ist, sondern dass, wie in der Dichtkunst, in der das Gesagte und dessen sprachliche Form untrennbar verwoben sind, der philosophische Gedanke von seiner Form betroffen wird. Analog zur Zeichnung, deren Form zugleich ihr Inhalt ist und die deshalb nicht zwischen beiden trennen kann, möchte Nancy vom Zeichnen her sprechen, indem er gleichsam zeichnend schreibt.

Nancys Ausgangspunkt ist, dass man der Zeichnung ihre Vorläufigkeit ansieht: einmal aufs Papier geworfen, ist sie nicht bloss fertiger Entwurf. Die Zeichnung ist die Vergegenwärtigung dessen, dass der Entwurf mit der Zeichnung gerade nicht abgeschlossen wird, sondern sich darin weiter entfaltet.

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