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Dies könnte in Zukunft vielleicht daran hindern, Entwürfe, die sich auf Werke Daniele da Volterras, und solche, die sich auf Werke Marcello Venustis beziehen, weiterhin Michelangelo zuzuschreiben. Denn die im gleichen Zeitraum entstandenen Entwürfe dieser beiden Michelangelo-Freunde sind einander wie in der Zeichenweise so auch in den Maßen diametral entgegengesetzt. Das grösste von Danieles stehenden Entwurfsfigürchen ist gerade mal knapp halb so gross wie Marcellos sitzende Entwurfsfiguren.

HG/TH: Generell stellt sich hier vielleicht auch die Frage nach dem was Prozess und Entwurf in der zeichnerischen Praxis des 15. und 16. Jahrhunderts überhaupt bedeuteten?

AP: Von der Antike bis ins 15. Jahrhundert hinein wurden zeichnerische Produkte der meisterlichen Werkvorbereitung und der Lernübungen von Lehrlingen mit Ausnahme der für architektonische Grossbauten benötigten Risse und der für den Werkstattunterricht unverzichtbaren Musterzeichnungen auf Wachstäfelchen gefertigt. Sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten, löschte man sie durch Glätten der Wachsschicht. Einen ideellen Wert bekamen diese zeichnerischen Provisoria erst, als das Papier zum universellen Zeichnungsträger avancierte; und als immer mehr Künstler und Kunstliebhaber selbst flüchtige darauf angesiedelte Skizzen als erhaltenswerte Repräsentanten einer eigenen, zum Philosophieren über die Verwandlung des zerebralen in den sichtbaren «disegno» anregenden Kunstgattung empfanden. Indes folgten nicht alle Künstler diesem Trend, der zu einer stetigen Vermehrung der Zeichnungssammlungen führte. Michelangelo legte nicht den geringsten Wert darauf, in einer dieser Sammlungen vertreten zu sein. Andernfalls hätte er nicht kurz vor seinem Tod alle noch in seinem Haus befindlichen Entwurfs- und Studienblätter verbrannt – zum masslosen Ärger des Herzogs von Florenz, der ihn, um eben dies zu verhindern, insgeheim hatte überwachen lassen.

HG/TH: Spielt bei Michelangelo eigentlich auch die Beidhändigkeit beziehungsweise die «linkische» Hand eine Rolle? Und welche Rolle spielte die linke Hand Ihres Wissens insgesamt im 16. Jahrhundert? Gibt es da überhaupt Zeugnisse?

AP: Michelangelo war Rechtshänder. Er hatte lediglich die Eigenheit, den Hammer beim Meisseln statt ebenfalls mit der rechten mit der linken Hand zu führen, weil er diese als kräftiger empfand. Dies wird auch sein zeitweiliger Mitarbeiter Raffaello da Montelupo getan haben, aber als einer, der auch linkshändig zeichnete. Im übrigen scheinen Linkshänder sich im 15. und 16. Jahrhundert so selten linkshändig artikuliert zu haben, dass man wohl annehmen muss, solches sei ihnen schon in früher Jugend ausgetrieben worden.

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