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Der Entstehungsprozess der Papierarbeit beinhaltete zwei Phasen. Zunächst zeichnete Nauman zweimal seine linke Hand: links den Handrücken, weiter rechts – dort wo jetzt die Öffnung klafft – die Handfläche. Die Hände sind grob gezeichnet und weisen kräftige Korrekturen auf, ganz ähnlich wie auf den Radierungen, nur dass die Bleistiftlinien dicker sind. Die Hände wirken zudem befremdlich in ihrer Unförmigkeit, denn – wie der Titel indiziert – hat Nauman die vier äusseren Finger beider Hände durch Daumen ersetzt. Der Effekt wird dadurch verstärkt, dass die vier zusätzlichen Daumen der oberen Hand ‹falsch› aufgesetzt sind, d. h. die Nägel sind zur Hälfte sichtbar, was bedeutet, dass sie um 90 Grad verdreht aufgesetzt wurden. Diese fragmentierten und falsch zusammengesetzten, vielleicht gar an Genmanipulation oder chirurgische Eingriffe erinnernden, monströsen Hände beziehen sich auf die baumelnden Wachsköpfe und die Tierformationen, die Nauman als mechanisches Karussell über den Boden hat schleifen oder auf Augenhöhe der Betrachter hat drehen lassen. [14]

In der zweiten Phase folgte das Ausschneiden der rechts gezeichneten Hand – was das Loch zur Folge hat – und ihre Drehung um 180 Grad. Nachdem die Finger beider Hände ebenfalls ausgeschnitten waren, schob Nauman diese ineinander. Damit die zurückbleibende Öffnung im Papier rechts nicht zu dominant wurde, hat Nauman ein zweites Blatt der gleichen Grösse und Qualität hinter die Zeichnung gelegt (die Blätter sind nur am oberen Rand zusammengeklebt). Durch eine minimale Verschiebung wird das hintere Blatt rechts oben in der Ecke sichtbar, ebenso am unteren Rand, wo das vordere sich ein wenig nach vorne wölbt und seitlich den Blick auf das dahinterliegende Papier frei gibt. Die ausgeschnittene Stelle hebt sich nur leicht vom Hintergrund ab, indem sie der Schnittkante entlang einen schmalen Schatten auf das hintere Papier wirft.

Das Ausschneiden mit dem Papiermesser (und nicht mit der Schere) wiederholt die Umrisse der Hände und zwar ähnlich ungelenk wie das Zeichnen mit dem Bleistift erfolgt ist. Enge Kurven mit einem Papiermesser zu ziehen braucht etwas Geschick, doch Nauman scheint sich nicht stark bemüht zu haben, sondern setzte immer wieder neu an, um schliesslich eher eckige Umrisse herzustellen. Das Schneiden mit dem Papiermesser ist dem Zeichnen sehr ähnlich, da auch Linien (bzw. Kanten) gezogen werden, die sich in diesem Fall an den bereits vorhandenen Bleistiftumrissen orientieren mussten. Hinzu kommen schliesslich gelbliche Spuren von Klebstoff, die in Erinnerung rufen, dass dem Ausschneiden das Aufkleben der zweiten Hand folgte. Das edle Zeichnungspapier erhält durch die Collage und die Klebstoffspuren eine reliefartige und taktile Qualität.

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