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Aus der Zeichnung ist also eine Collage entstanden, die aus drei Papierebenen besteht. Zusammen ergeben sie eine Schichtung und damit auch eine räumliche Ausdehnung über den eigentlichen Träger der Zeichnung hinaus: In der vordersten Ebene befindet sich die ausgeschnittene Hand; dahinter/darunter das eigentliche Zeichenpapier, das sich mit den Fingern des ausgeschnittenen Fragmentes verschränkt und auffächert, also die Fläche des Zeichenpapiers in den Raum erweitert; und schliesslich folgt die Verdoppelung des Papiers nach hinten. Diese Vielschichtigkeit erinnert etwa an Joan Mirós surrealistische Collage Sans titre von 1929, die nicht nur appliziertes Sandpapier aufweist, sondern eine betont grob herausgeschnittene, rechteckige Öffnung, die den Blick freigibt auf ein Teer- oder Kiespapier, das dahintergelegt wurde. [15]

Nauman referiert im Titel auf das Händehalten (Holding Hands), das als intime und zärtliche Geste in einem bemerkenswerten Verhältnis zum ersten Teil des Titels steht, nämlich die linken bzw. ungeschickten und monströsen Hände. Auf der rechten Papierhälfte, wo Nauman auf den Radierplatten jeweils die rechte Hand gezeichnet hätte, klafft ein Loch. Die zeichnende Hand ist wieder vom Papier und aus der Zeichnung verdrängt worden. Oder anders betrachtet: Weil wir von zwei linken Händen ausgehen, ist die rechte, zeichnende Hand in den sich haltenden Händen mitgedacht. Die Bilateralität verschmilzt zur Unbeholfenheit der kooperierenden Hände.

Nauman wurde verschiedentlich vorgeworfen, dass er trotz einer gewissen Entfremdung doch immer noch als Subjekt und Autor unangetastet bleiben wolle, sich als schöpferische Autorität verstehe. [16] So liess er sich zu Aussagen wie der folgenden hinreissen: «Ich sitze hier; ich blättere in einem Buch, irgendwann gegen Fünf springe ich vielleicht auf und werfe ein, zwei Striche aufs Papier. Dann kann ich gehen.» [17] So leicht, wie es in diesem Zitat klingt, hat es sich Nauman nicht wirklich gemacht. So wie er die Virtuosität und das Können seiner rechten Hand meist kaschiert, so kokettiert er auch hier mit der Vorstellung des genialen Künstlers.

Nauman benutzt den eigenen Körper zwar als Material seiner Kunst, aber nie den eigenen Kopf, was sicher darin begründet ist, dass es ihm nicht um ein Selbstporträt oder die eigene Körperlichkeit geht. Die Zeichnungen und Radierungen von Händen aus den Jahren 1994 bis 1997 sind Visualisierungen der Infragestellung von Händigkeit und Autorschaft. Der Rollentausch der rechten und linken Hand und das Kaschieren des Könnens der dominanten Hand sind aber nicht nur konzeptuell generierte Strategien, sondern entwickelten sich im Wechsel mit der physischen Erfahrung des Zeichnens nach der Natur bzw. der eigenen Hand.

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