Ebd.
Ebd., S. 345.
Unter was für Umständen würden wir sagen: durch das Hinschreiben einer solchen Figur gebe jemand eine Regel? Unter was für Umständen: Einer folge dieser Regel, indem er jene Reihe zeichnet? Es ist schwer das zu beschreiben.» [9]
Einem entsprechend von zwei Schimpansen vollzogenen Nachzeichnen spricht Wittgenstein den Ausdruck des Regelfolgens ab, «was immer auch dabei in der Seele der beiden vorginge.» [10] Lässt sich der Begriff des Regelfolgens aber vom bloss mechanischen Kopieren, wie es den Affen gerade noch zugetraut wird, auf eine komplexe Situation des Lehrens und Lernens ausweiten, so wächst die Bereitschaft ihn auch den zeichnenden Schimpansen zuzugestehen: «Beobachtete man aber z.B. das Phänomen einer Art von Unterricht, eines Vormachens und Nachahmens geglückter und missglückter Versuche, von Belohnung und Strafe und dergleichen [...] so würden wir wohl sagen, der eine Schimpanse schreibe Regeln hin, der andre befolge sie.» [11] Zwar spielt der Kontext («die Umstände») für die Anerkennung eines Regelfolgens eine wichtige Rolle, das Beispiel ist mit der Betonung einer «Art von Unterricht» aber direkt für tierische Akteure konzipiert.
Für nachzeichnende Menschen wird man das Erfüllungskriterium des Regelfolgens dahingegen eher in der Innerlichkeit von Absichten oder Willensentscheidungen suchen. Auch in dieser Hinsicht fragt Wittgenstein nach dem genauen Grenzverlauf zwischen einem regelhaften und einem regellosen Zeichnen: «Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Einer Linie unwillkürlich folgen – Einer Linie mit Absicht folgen. Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Eine Linie mit Bedacht und großer Aufmerksamkeit nachziehen – Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer Linie folgt.» [12]
Mit der Frage nach diesen beiden Unterschieden werden vier Situationen des Nachzeichnens getrennt und für eine mögliche Ordnung des Themas hervorgehoben. Während die erste Frage die Beteiligung einer Willensentscheidung oder Absicht als Differenzkriterium verwendet, betont die zweite den Aspekt der Aufmerksamkeit für das Nachgezeichnete. Wittgenstein fasst in einem abschliessenden Satz beide Fragen zusammen, indem er die jeweils psychologisch motivierten Nachzeichnungen unter dem Stichwort der Voraussehbarkeit vereint: «Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben. Einer liegt im Voraussehen dessen, was die Hand tun wird.» [13] Vorausgesehen wird das Tun der nachzeichnenden Hand scheinbar dort, wo sie einer Linie absichtlich folgt oder sie mit grosser Aufmerksamkeit nachzieht. Damit artikuliert Wittgenstein also ein mögliches psychologisches Unterscheidungskriterium für ein nachzeichnendes Regelfolgen. Aber es ist offensichtlich ein schwaches Kriterium, weil es sich nicht an der jeweiligen Handlung des Nachzeichnens beobachten oder nachweisen lässt.