Ebd., S. 98, Hervorhebung im Original.
Ebd.
Auch hier wird wieder unterstellt, dass ein Voraussehen den Vorgang des Kopierens strukturiert, allerdings zweifelt Wittgenstein daran, dass man es psychologisch fundieren kann. Ist die Orientierung an der Länge der «Vorlage» gleichsam als ein «Geist» zu verstehen, der im Nachziehen des Strichs haust und es lenkt?
Wittgenstein stellt also die grundsätzliche Frage, wo oder worin die Regel, der im Nachzeichnen vermutlich gefolgt wird, lokalisiert werden soll: «War in dem Vorgang [...] das Handeln nach der allgemeinen Regel, die ich mit vorgesetzt hatte, enthalten? Oder war der Vorgang nur in Übereinstimmung mit dieser Regel, aber also auch in Übereinstimmung mit anderen Regeln?» [20] Im Vorgang war das Handeln nach der allgemeinen Regel nicht im Sinne essentialistischer Erklärungen enthalten und es hat ihn auch nicht in einem psychologischen Sinne begleitet oder vorweggenommen. Nach Wittgenstein trifft vielmehr die zweite Option zu, wonach der Vorgang nur in Übereinstimmung mit einer Regel war, das heisst, dass er ihr interpretativ zugeordnet werden kann. Diese Option bedeutet aber, dass auch jede andere Regel möglich ist. Wittgensteins Argument ist, dass sich für eine bestimmte Handlung selbstverständlich immer auch andere gültige Regeln formulieren lassen, sodass man eine bestimmte Regelhaftigkeit nicht als das Wesen einer Handlung auffassen und in diese selbst verlegen kann. Vielmehr gehört sie in den Bereich ihrer Interpretation. Das trifft auch für die psychologischen Ursachen des Nachzeichnens zu, denen wir uns ebenfalls nur interpretativ annähern können, sodass auch sie prinzipiell austauschbar sind [Abb. 1]:
«Ich gebe jemandem den Befehl von A eine Linie parallel zu a zu ziehen. Er versucht (beabsichtigt) es zu tun, aber mit dem Erfolg, dass die Linie parallel zu b wird. War der Vorgang des Kopierens derselbe, als hätte er beabsichtigt eine Linie parallel zu b zu ziehen, und seine Absicht ausgeführt?» [21]