Gertrud Leisegang (Hg.), Descartes Dioptrik, Meisenheim a. G. 1954, S. 91.
Weil, wie der grosse Kompilator Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) es ausdrückte, die Uneinigkeit der Gelehrten ihre Ursache in «den unterschiedenen Werkzeugen der Erkantnis/ und der unterschiedenen Leibsbeschaffenheit» habe, verband sich mit Instrumenten die Hoffnung, diese Unterschiede zugunsten des gleichsam adamitischen Zustandes einer unmittelbar anschaulichen Erkenntnis aufheben zu können. [50] In Hookes Repertoire bereits existierender und noch zu konstruierender Instrumente zur Perfektionierung der Sinnesorgane ― vom Hören durch dicke Mauern bis zum Ertasten subtilster Materieteilchen ― spiegelt sich die Erwartung, dass technischer Fortschritt letztlich die defizitäre Subjektivität überwinden und die Gesamtheit möglichen Realienwissens über die sinnliche Wahrnehmung zugänglich machen würde.
Damit Instrumente diese Aufgabe erfüllen konnten, bedurfte es einer ontologischen Annäherung, musste die menschliche Sinnesausstattung ‹technisch› werden. Mit der durch ihre gemeinsame Zweckgerichtetheit begründeten Übertragung des aristotelischen Instrumentenbegriffs (όργανον) auf Körperteile hatte der römische Arzt Galenus (um 129–um 216) die Grundlage für alle weiteren metaphorischen, imaginären und praktischen Koppelungen von technischen Artefakten mit Sinnesorganen geschaffen. [51] Aber erst als mit den astronomischen und mikroskopischen Entdeckungen des 17. Jahrhunderts die Begrenztheit des natürlichen Sehens selbst offenbar wurde, konnte die Analogie von Organ und Instrument ihr ganzes Potenzial entfalten. [52]
Hooke stellt diesen Schritt begrifflich her, wenn er schreibt, dass zur Verbesserung der Sinne «künstliche Organe den natürlichen» angefügt werden könnten. [53] Insbesondere für die Verbindung von Auge und optischem Instrument konnten auf Grundlage der frühneuzeitlichen Anatomie zunehmend Identitäten in Gestalt und Funktion entdeckt werden. Den grundsätzlich instrumentellen Charakter des Auges demonstrierte René Descartes (1596–1650) in seiner Dioptrique (1637) durch ein Experiment: Ein (bestenfalls menschliches) Auge soll in die Blendenöffnung einer begehbaren Camera obscura eingesetzt werden, damit sich auf dessen präparierter Rückseite die Bilder der Außenwelt ebenso abzeichneten wie sonst auf der Rückwand des dunklen Raumes [Abb. 8]. [54] Hooke hat Descartes’ Experiment nach eigenen Angaben wiederholt und darüber hinaus einen «Perspektivkasten» (Perspective Box) konstruiert, in den ein Betrachter durch eine Öffnung seinen Kopf hätte hineinstecken sollen, um die interne Bildentstehung zu beobachten [Abb. 9]. [55]
Entscheidend ist, dass beide Experimente dem Betrachter ermöglichen, die Position eines Beobachters zweiter Ordnung einzunehmen, von der aus das Abbildungsverhältnis von Gegenstand und Projektionsbild, genauer: deren Isomorphie beurteilt werden kann.