Albrecht Dürer, VNderweysung der messung, mit dem zirckel vn[d] richtscheyt […], Nürnberg, 1525, Bl. Q2r.
2. Mühelose Bilder
Aufgrund ihrer Ausrichtung auf eine möglichst genaue imitatio sahen sich die Perspektivinstrumente von Anfang an dem Vorwurf der kunstlosen Mechanik ausgesetzt, was besonders vor dem Hintergrund der lange währenden Emanzipationsbestrebungen der Malerei von den artes mechanicae ein Legitimitätsproblem darstellte. Schon Alberti verteidigt die Verwendung des Schleiers gegen den Einwand, der Maler gewöhne sich zu sehr an dieses Hilfsmittel: Ohne velo nämlich könne der Maler dem Ähnlichkeitsimperativ der Darstellung nicht genügen. [21] Leonardo (1452–1519) kritisiert den Einsatz der Instrumente «bei denjenigen, die sonst nicht zeichnen können oder auch zu theoretischen Überlegungen nicht imstande sind», empfiehlt sie hingegen den erfahrenen Malern, «um sich die Arbeit ein wenig zu erleichtern und um in keiner Einzelheit von der richtigen Nachahmung des Gegenstandes abzukommen». [22] Ebenso betont der kunstgelehrte Mediziner Michelangelo Biondo (1497–1565) Mitte des 16. Jahrhunderts, dass es mit Hilfe des Schleiers viel leichter sei, die Dinge naturgetreu nachzuahmen:
«Deshalb darf man nicht auf diejenigen hören, welche sagen, dass dieses Mittel dem Maler nichts fruchte, dass derselbe sich vielmehr selber in dieser Sache üben müsse und er hierdurch bloß große Beihilfe im Malen erlangen werde. Nichtsdestoweniger sage ich, dass ohne jenes nichts gemacht werden kann, was wünschenswert wäre, weil der Maler (wenn ich mich nicht irre) nicht die Mühseligkeit sucht, sondern vielmehr seine Malerei mit größtmöglicher Leichtigkeit herzustellen wünscht, dass sie hervortretend und dem Körper ähnlich erscheine, oder seinem Vorbilde […]. » [23]
Den genannten Beispielen ist gemein, dass sie den Vorwurf der Kunstlosigkeit in ein Argument für die ‹Wissenschaftlichkeit› der apparativ unterstützten Malerei verkehren, das heisst ihrer Fähigkeit zur mimetisch exakten Darstellung.
Durch Dürer wurde der Adressatenkreis dieser Hilfsmittel auf jene Zeichner erweitert, «die irer sach nit gewiß sind». [24] Davon ausgehend lässt sich vom 16. bis ins frühe 18. Jahrhundert die Tendenz beobachten, dass die Anweisungen zu Konstruktion und Gebrauch der Perspektivmaschinen allmählich aus den Fachbüchern zur Kunstpraxis verschwanden und statt dessen vermehrt Eingang in Abhandlungen zu Optik und Perspektive sowie in populäre Kompendien fanden. In diesen Schriften werden sie zum einen als Veranschaulichung des perspektivischen Grundprinzips als Schnitt durch den Sehkegel, zum anderen als bequeme Alternative zur geometrischen Konstruktion präsentiert. Lange vor Erfindung der Fotografie war in diesen Werken das Versprechen problemlos erreichbarer Darstellungspräzision durch technische Apparaturen zu einem Topos geworden. [25]