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Das Exil im Exil

Das technische Verfahren, mit dem die disjunkten Räume in einander geschachtelt werden, besteht in der besonderen Video-Graphie, die den Zug der Linie mit dem Ab-zug der Fotographie verzwirnt, die Spur/das Ge-spür mit dem sichtbaren Abdruck, und so taktil-visuelle Anschlüsse erzeugt. In dieser Verschleifung von Sinnesprozessen entsteht eine besondere Ästhetik, eine kritische Ästhetik im Sinne eines planetarischen Denkens, eine Ästhetik nämlich, die an der Segregation des Raums ausgerichtet ist. Die ‹Ästhetik der Apartheid› arbeitet mit den Mitteln der Video-Graphie an der Poetik der Beziehung, indem sie in der Kombination von Zeichnung und Fotographie unter Missachtung der Ordnung realer Codes surreale Anschlüsse zwischen den separaten Räumen schafft. Über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg bricht Nandis Welt über diverse Kanäle in Felix̕  Zimmer ein; ihre Medien sind die Zeichnungen, die aus dem Koffer empor quellen und eine lebendige visuelle Welt entstehen lassen, ferner der Wasserhahn, der als extraterrestrische Schaltstelle zwischen Heimat und Exil den Mond benutzt, und nicht zuletzt der Spiegel, der wie ein Schlüsselloch Einblicke in die Welt des Anderen gewährt.

Die Ästhetik der Apartheid übersetzt das Unübersetzbare, insofern sie sich gegen die Apartheid als ein politisches System stemmt, aber auch und gerade als ein politisches Wort. Dieses Wort hat Jacques Derrida — wie in freudiger Erwartung dessen unausweichlichen Untergangs — als das «letzte Wort des Rassismus» bezeichnet. Immer schon sei «Apartheid […] ein Archiv des Unsagbaren» gewesen, nämlich ein «Name, den keine einzige Sprache jemals übersetzt hat, als ob alles Sprechen der Welt sich dagegen wehrte und den Mund verschloss gegen eine erschreckende Vereinnahmung der Sache durch das Wort, als ob alle Sprachen diese Äquivalenz verweigerten und sich dagegen verwehrten, sich in der ansteckenden Gastfreundschaft der wortwörtlichen Übersetzung anstecken zu lassen: eine unmittelbare Antwort auf die Besessenheit dieses Rassismus, auf den zwanghaften Terror, der zuallererst den Kontakt untersagt.» [15]

Nach Derrida ist die Apartheid somit immer schon von ihrer eigenen Logik befallen: Ihrem eigenen Prinzip der Segregation folgend, ist sie allein geblieben, isoliert und unübersetzbar, weil, so Derrida, sich die Sprache selbst mithilfe der Apartheid gegen die Apartheid verwahrt. Genau dieser paradoxen Figur einer sich selbst isolierenden Isolation ist Felix in Exile gewidmet.

<<  Ausgabe 03 | Seite 101  >>