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Die Spiegelszene ist wortwörtlich ‹unheimlich› in jenem von Freud erörterten und von den Kulturtheorien wiederholt fruchtbar gemachten Sinne, dass das Fremde nicht einfach von aussen kommt, sondern dem Vertrauten, ‹Heimeligen›, wie ein ‹heimlicher› Mitbewohner innewohnt. [23] Die Verschachtelung von Spiegel und Teleskop macht einmal mehr die Operationsweise der Ästhetik der Apartheid deutlich, indem sie — wie das Selbstporträt und in einem anderen aber doch verwandten Zusammenhang der Eigenname — offenbart, dass die radikale oder verzweifelte Segregation von jeglichem Anderen (von allem, was nicht Selbst ist) nicht zum Erhalt des Selbst beiträgt, sondern dass jegliches Selbst (Felix selbst, die Erde selbst) sich gerade in der Intervention des Anderen konstituiert.

Handwerk und Onanie

In Felix in Exile nimmt das Werk der Hand noch eine andere Form an. In einer Szene sitzt Felix aufrecht in seinem Bett mit dem offenen Koffer auf dem Schoß. Der Deckel des Koffers dient ihm als Filmbühne und zeigt die ferne Geliebte beim Baden. Von Felix̕ nacktem Oberkörper ist kaum etwas zu sehen, lediglich sein linker Oberarm deutet unter der Bettdecke subtil eine Bewegung an, die das Motiv der Apartheid mit der sexuellen Einsamkeit des Exilierten in Zusammenhang stellt.

Wenn für Kentridge Zeichnen ein Akt der autodynamischen Selbsterschaffung ist, so vollzieht sich dieser nicht nur im Sinnesbereich des Visuellen als Selbstschau, sondern auch im Taktilen als Selbstberührung.

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