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Die Hand, die zeichnet und sich auch selbst zeichnet, gibt den Körper in seiner intimen und verletzlichen Erscheinungsform, nämlich nackt, preis. Felix̕ Hand ist ein Instrument der Selbstaffektion, und zwar auch und gerade dann, wenn sie im Bild nicht sichtbar ist. Im unmöglichen Anblick der abwesenden Geliebten kommt eine eigentümliche Liaison von Hand und Auge zustande, ein ‹disegno›, welches das Konzept eines motorisch-visuellen Erkenntnisakts in einen neuen Zusammenhang stellt.

So gesehen, basiert Felix̕  video-graphisches Handwerk ganz und gar auf der fantastischen Wirkung von Abwesenheiten, nämlich auf einem Prozess, den Jacques Derrida seit der Grammatologie als die Arbeit des Supplements schlechthin bezeichnet hat. Im Zusammenhang mit Rousseaus Bekenntnissen spricht Derrida von der Onanie als jenem «gefährlichen Supplement», das angesichts eines Mangels zum Inbegriff des Surrogats in einer Kette von Supplementen wird. [24] In geradezu idealtypischer Weise verkörpert die Onanie als eine sich selbst berührende Präsenz die Figur der Differenz als Aufschub. Schliesslich vollzieht sich die erfinderische Verführung der Selbstaffektion nicht aus dem ‹Apart›-Sein im Sinne einer vollkommenen Intimität des Selbst mit sich selbst, sondern gerade angesichts eines abwesenden Anderen, sozusagen im Gespür seiner Spur als der Berührung einer Abwesenheit. Diese Onanie, die, wie Derrida schreibt, «es gestattet, sich selbst zu affizieren, indem sie sich Abwesenheiten verschafft» [25], umfängt, umarmt oder liebkost das Selbst im selben Masse wie den Anderen.

Kentridges zeichnende Hand ist in diesem Sinne der Logik der Onanie verpflichtet. Mit ihr entwirft Kentridge ein ästhetisches Verfahren, das — wie die Onanie — der Allein-heit gewidmet ist, einer Alleinheit, die die sexuelle Einsamkeit des Exilierten aufs Engste mit der politischen Apartheid verknüpft. Die Ästhetik der Apartheid in Felix in Exile ist gegen diese ‹Alleinheit› gerichtet, oder genauer, sie richtet — wie die Onanie — die Alleinheit gegen sich selbst, in einer sich selbst berührenden Liebkosung, die immer auch vom Anderen kommt. Die besondere Organisation der Sinnesbereiche von Hand und Auge strukturiert ein video-graphisches Verfahren, das grundlegend mit der Apartheid zusammen hängt. Dabei geht die Ästhetik der Apartheid von der Apartheid aus, insofern sie dem Prinzip der radikalen Geschlossenheit und der Segregation verpflichtet ist. Zugleich aber meint ‹Ästhetik der Apartheid› auch ein Prinzip, das für die Apartheid bestimmt ist und sich an sie richtet im Sinne eines Gegenmittels, also einer Art von Anti-Apartheid.

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