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Vom Palimpsest aus gedacht wird deutlich, was ‹Animation› bei Kentridge bedeutet. Die Verlebendigung an sich lebloser Dinge folgt bei ihm aus einer fortwährenden ‹Alternation› der Zeichen, dem abwechselnden Auslöschen und Neuzeichnen von Zeichen, aber auch aus ihrem ‹Anders-Werden›, der ‹Alternative›, die auf einer Latenz oder einer Möglichkeit des Anders-Seins beruht. Zeichnen ist insofern eine schöpferische Leistung, als es andere, mögliche Welten erzeugt.

Insofern Zeichnen nicht nur im Räumlichen, sondern auch im Zeitlichen stattfindet, sieht es sich aufs engste an eine hypomnestische Technik gekoppelt. Felix in Exile entsteht im Jahre 1994 — wir erinnern uns — unmittelbar vor der ersten rassenübergreifenden Wahl, vier Jahre nachdem Nelson Mandela aus seiner 27-jährigen Haft entlassen worden war und ein Jahr nachdem er gemeinsam mit Frederik de Klerk den Friedensnobelpreis erhalten hatte. Nach Kentridges eigenen Aussagen dienen ihm als Vorlagen für die Filmbilder authentische Dokumente und forensische Fotographien der grossen Flut von Gewalttaten, die in den Monaten vor den Wahlen losbrach. Bei der grauen Landschaft im Film handelt es sich um die von der Minenindustrie entstellte Landschaft südlich von Johannesburg. [7]

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