Zu einer historischen Fotografie von F. A. Schwartz

Berlin, Mittwoch, 12. April 1893, 10 Uhr vormittags. Noch steht der Turm des Alten Doms auf der Nordseite des Lustgartens. Am 9. März hatte der Kaiser angeordnet, daß die Sprengung mittelst Dynamit von Mannschaften des Eisenbahnbataillons ausgeführt wird. Das Mauerwerk des Kirchenschiffs ist grösstenteils schon abgerissen und jetzt, im ewigen Jetzt der Fotografie – angesichts des expandierenden Staub-Luft-Gemischs, das wie ein riesiger Brautschleier, eine verwirbelte und halb zerrissene Stola den Sockel und die Mauerreste und am Ende wohl auch den unter seinem schwarzen Tuch verborgenen Fotografen samt Kamera einhüllt – jetzt wird der Turm fallen. Doch die Zeitung vom nächsten Tag weiss es anders: Die Sprengung des Berliner Domthurmes, die am Sonnabend Morgen [ den 8. April ] stattfinden sollte, ist missglückt. Die Leitung war dem Major Gerding von der Eisenbahnbrigade übertragen worden. Die Minen, die eine Gesammtladung von 108 Kilogramm Dynamit hatten, waren jedoch nicht ausreichend, weshalb die Sprengung missglückte. Die neue Sprengung findet an einem der nächsten Tage statt.