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Als Beispiel einer ‹echten Alternative› soll im Folgenden ein Werk Vincent van Goghs (1853 − 1890) vorgestellt werden, unter dessen Oberfläche sich eine zweite, vom Künstler übermalte Arbeit verbirgt.

Die im Frühjahr 1887 in Paris entstandene Landschaft Blühende Wiese [Abb. 7] zeigt eine satt grüne Grasfläche, deren Grenzen ausserhalb des Bildraumes liegen. Dünne, lang gezogene Pinselstriche markieren einzelne Grashalme und strukturieren die Fläche – ja, sie verleihen ihr sogar einen stringenten Rhythmus. Dazwischen behaupten sich locker aufgesetzte Farbtupfen in zarten Gelb-, Rosa- und Blautönen, die sich zu Blumen- und Blütenformationen zusammensetzen.

Dass unter der dicht bewachsenen Sommerwiese noch ein weiteres Gemälde verborgen liegt, ist mit blossem Auge nicht zu erkennen. Erst aufwendige technische Untersuchungen konnten die darunter liegende Malschicht sichtbar machen. [23] Zu Tage trat das Porträt einer weiblichen Figur, ein Schulterstück, das fast die gesamte Bildfläche einnimmt.

Die Figur ist im leichten Profil dargestellt. Die hellen Augen blicken am Betrachter vorbei, der Gesichtsausdruck wirkt müde, unbeteiligt.

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