Vergleicht man etwa die anfänglich noch recht übersichtlichen Entwurfsskizzen zu diesem Bildprogramm mit dem komplexen Figuren- und Szenenarrangement, das Michelangelo später am Deckenspiegel tatsächlich ausgeführt hat, so bieten sich zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen an. Zum einen ließe sich der strukturelle Aufbau des Deckenfreskos genetisch aus den im Medium der Zeichnung erprobten Ornamentfeldern ableiten, deren schrittweise Variation schließlich in die hinsichtlich ihrer Größe alternierenden und abwechselnd durch Tondi gerahmten Historienszenen münden. [5] Zum anderen – und dieser Weg soll im Folgenden beschritten werden – lässt sich nach den ‹Ausscheidungen› im Entwicklungsprozess fragen. D.h. nach den Optionen, die erst erwogen, dann aber wieder verworfen wurden, um andere und offenbar bedeutungsvollere Optionen zu verfolgen.
Ich beschränke mich an dieser Stelle darauf, den Grundgedanken in der gebotenen Kürze zu veranschaulichen: Am Beginn steht der Auftrag Julius II. (1443–1513) an Michelangelo, den Deckenspiegel mit Ornamentfeldern zu füllen und die zwölf Zwickel am Gewölbeansatz mit der Darstellung der zwölf Apostel zu schmücken. [6] Für Michelangelo sind diese sitzenden Apostelfiguren zugleich Ausgangs- und Orientierungspunkt der Planung, wie eine frühe Entwurfszeichnung belegt.