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Dieser Fall ist deshalb so interessant für die hier zu erprobende Betrachtungsweise, weil der Siegerentwurf Ghibertis forschungsgeschichtlich wiederholt als epochemachendes Werk charakterisiert wurde. [10] D.h. Sieger- und Verliererentwurf werden mit ästhetischen Werturteilen verbunden, die eine scharfe Opposition zwischen der begrüßenswerten neuen Epoche (= Renaissance) und der verwerflichen Tradition (= Gotik) proklamieren. So beispielsweise jüngst bei Andreas Tönnesmann:

«Ghibertis Relief mit der Darstellung des Isaakopfers […] gehört zu den ersten Werken der Renaissance, und doch fasst es jene doppelte Zielsetzung, die prägendes Merkmal der neuen Kunst werden wird, bereits in eine endgültige Form: die Orientierung an der Antike und den umfassenden Anspruch auf Neuerung.» [11]

Während Tönnesmann im Siegerentwurf Ghibertis die Quintessenz der Renaissancekunst erkennt und die Reliefs somit als Repräsentanten einer alten und neuen Kunstanschauung interpretiert, überbietet Alexander Markschies die Logik der Epochenschwelle sogar noch dadurch, dass er sich stärker auf das im Wettbewerb unterlegene Brunelleschi-Relief konzentriert und dieses gleichsam im Sinne der Moderne aktualisiert:

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