>>
[12]

Alexander Markschies, Brunelleschi, München 2011, S. 29.

[14]

Vgl. ebd. S. 138–142.

[15]

Ebd., S. 16.

 

«Ghibertis Werk ist ohne Zweifel in einem geradezu klassischen Sinne schön, die Figur des Isaak gewiss eine der herrlichsten Aktdarstellungen der Renaissance. […] Brunelleschi dagegen agiert eckiger, ihm geht es weniger um Schönheit als um Spannung. Das Bildfeld und damit die Sicht auf die Geschichte sind parataktisch organisiert, durch das Nebeneinander der Elemente bestimmt. Ohne Zweifel ist die Grundhaltung moderner, man scheint wie durch ein Stroboskop auf die Szenerie zu blicken, oder könnte die Komposition als Collage beschreiben.» [12]

Der abgewiesene Entwurf wird damit zur Avantgarde avant la lettre stilisiert, zu einem Exempel der Überwindung klassischer Renaissanceideale, wie der Ausgewogenheit der Komposition und der geradezu topischen Aktdarstellung, bevor die Epoche überhaupt erst begonnen hat. Die modernistische Umwertung des Brunelleschi-Stils lässt sich mit dem Bedauern früherer Forscher verknüpfen, dass der konservative «Gotiker», Ghiberti, gegen den sonst so «fortschrittlichen» Brunelleschi gewann. [13] Wie man es auch dreht und wendet: Kern der Diskussion ist das Thema der Epochenschwelle (Gotik–Renaissance) bzw. die Begründung ästhetischer Werturteile aus dem kontrastierenden Vergleich von Innovation und Tradition. Doch werden durch das Wiedererkennen von Renaissancetopoi im Siegerentwurf noch keine Werturteile werkimmanent begründet. Dass dies auch gar nicht so einfach ist, hat Hanno Rauterberg in seiner ausführlichen Würdigung der Konkurrenzreliefs gezeigt. [14] Bezeichnend ist, dass die Stilauffassungen beider Künstler in dem Bemühen korrelieren, angestammte Kunstformen zu reaktivieren – im Falle Brunelleschis etwa der archaischen Formenwelt Giottos und im Falle Ghibertis der idealisierenden Formensprache des ‹Internationalen Stils›. Gemein ist beiden Entwürfen auch ein Streben nach einer realitätsnahen Mimesis, die sich allenfalls unterschiedlich, d.h. in der aemulatio einer antiken Klassik (Brunelleschi) oder aber im ‹Realismus› der Naturannährung (Ghiberti) artikuliert.

Die Frage der Beurteilung muss sich also statt auf die Reliefplatten zunächst auf die Beschaffenheit der öffentlichkeitswirksamen Konkurrenzsituation selbst richten. Wie Rauterberg mit Blick auf die Forschungsgeschichte treffend resümiert, wird der Wettbewerb mehrheitlich als ein auf Fortschritt ausgerichtetes Instrument verstanden, das die Hervorbringung künstlerischer Alternativen und damit schließlich die Entwicklung von Stil insgesamt forciert. [15] Vor dem Hintergrund dieser Prämisse steuert aber jedwede Differenzierung der Reliefs fast zwangläufig auf eine wie auch immer beschaffene Epochenschwelle zu, die einen Übergang von der Tradition zur Innovation markiert.

<<  Ausgabe 04 | Seite 110  >>