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Platon, Das Gastmahl, 192f., in der Übersetzung von Otto Apelt, Leipzig 1926, S. 31.

 

«Die Begierde also und das Streben nach dem Ganzen ist es, was man Liebe nennt. Und vorzeiten, wie gesagt, waren wir Eins. Jetzt aber sind wir zur Strafe für unseren Frevelmut von Gott gespalten worden [...].» Diese Sätze, gesprochen von Aristophanes in Platons Symposion, sagen uns nichts Neues. Man hat sich an die Entzweiung, von der sie berichten, gewöhnt. Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja noch schlimmer. Am Ende seiner geistreichen Erzählung verleiht Platons Aristophanes der Befürchtung Ausdruck, «dass, wenn wir uns nicht gewissenhafter Pflichterfüllung gegen die Götter befleißigen, wir abermals gespalten werden und herumlaufen wie die auf den Grabsteinen angebrachten Flachfiguren mit durchgesägten Nasen wie halbierte Marken.» [1]

Durchgesägte Nasen: Der Komödiendichter wirft einen ungewohnten, buchstäblich schrägen Blick auf Relieffiguren. Profildarstellungen waren und sind ja schon deshalb die gewöhnlichste Sache von der Welt, weil sie so vielen Münzen eingeprägt sind, die ihnen als Fahrzeug dienen. Kaum jemand wird die Profillinie als Schnittlinie deuten und annehmen, man habe es mit der Darstellung eines noch unbekannten, entlang der Mittelachse des Gesichts entzweigeschnittenen Menschengeschlechts zu tun.

Ausgabe 04 | Seite 128  >>