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[1]

Boris Groys, Unter Verdacht. Eine Phänomenologie der Medien, München 2000.

[3]

Michel Serres, Der Parasit, Frankfurt a. M. 1987.

 

«...das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen.»
Franz Kafka, Die Sorge des Hausvaters

Opak ist, was undurchsichtig ist. Bereits eine solch basale Qualifikation kommt nicht ohne Verdachtsmoment [1] aus, denn undurchsichtig meint immer auch trübe, zwielichtig, shady. Es ist kaum möglich, Opazität positiv zu bestimmen. Stets scheint eine Negation vorzuliegen, eine Beeinträchtigung von Transparenz: Die Sprache, die man nicht versteht, wird zum Geräusch, die falsch belichtete Fotografie zum Ärgernis, das Flackern und Britzeln abgenutzten Filmmaterials zu optischer Irritation, die man versucht ‹auszublenden›, um auf das Bildgeschehen dahinter achten zu können. Die Gier nach immer höheren Bildschirm-Auflösungen etwa ist unschwer als Transparenz-Wahn erkennbar, der das Vergessen der medialen Vermittlungsebene als technisch implementierte Begehrensstruktur offenbart. Der Durchblick auf ein Dahinter- oder Darunterliegendes wird gehindert, ungeachtet der Möglichkeit, dass es vielleicht gar kein ‹Dahinter› geben mag, ein Durchblick vielleicht nie möglich war.

Die Metapher der black box bezieht aus dieser Logik ihre Evidenzkraft, egal ob sich in dieser Schrödingers Katze, ein psychisches System oder die durch das Betriebssystem abgeschottete Funktionsebene des Computers befindet. Entscheidend ist die unhintergehbare Uneinsehbarkeit des Opaken. Es ist jedoch zu fragen, ob die hier zur Anwendung kommende Denkbewegung, die stets durch eine Art Verblendung hindurch, auf etwas Dahinter- oder Darunterliegendes vorstoßen will (Fenstermetapher von Alberti bis Windows) und somit dem platonischen Gang aus der Höhle hinaus folgt, dazu angetan ist, das Verhältnis von Transparenz und Opazität adäquat zu fassen.

Opazität macht aus einem Ding ein Un-Ding, aus etwas (zumindest virtuell) Durchsichtigem etwas Trübes/Getrübtes [2] und es ist kein Zufall, dass dem Begriff der Störung, der Perturbation, turbatio zugrunde liegt; ein Terminus, dessen semantische Bandbreite von der «Trübung» bis zur «Aufwiegelung», also von der dezenten Verweigerung zum offenen Aufruhr reicht. Aufruhr auch deshalb, weil der Verbergungsqualität des Opaken offenbar eine so starke Beunruhigung inhärent ist, das Gegenwehr erforderlich scheint. Konnotationen der Kontamination und Verunreinigung [3] liegen dann nahe, Opazität daher ein genuin defizitärer Seinsmodus zu sein, den es zu vermeiden gilt. Dies genau ist die Strategie der Informationstheorie Shannonscher Provenienz, der es vor allem um störungsfreie Kommunikation als Problem der Nachrichtentechnik geht. Hier gilt die noise-source als Ebene feindlicher Interzeption, die zwar stets vorhanden, aber immer der störungsfreien Vermittlung, d.h. der Transparenz medialer Vollzüge entgegengesetzt scheint. Wo noise ist, soll information werden; das ist der Wahlspruch der Nachrichtentechnik und frühen Kommunikationstheorie.

Ausgabe 04 | Seite 136  >>