>>
[9]

Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 1993, S. 93.

[10]

Sören Kierkegaard, Entweder – Oder, München 1998, S. 82.

[12]

Fritz Heider, Ding und Medium, Berlin 2005, S. 32.

[13]

Heidegger, Sein und Zeit (Anm. 9), S. 107.

 

Der Begriff des Zeugs meint ab Sein und Zeit einen Seinsmodus, der ganz in der «Verweisungsmannigfaltigkeit des Um-zu» [9] eingebettet ist, dessen Dasein also durch ein Unauffällig-Sein im Vollzug des praktischen Umgangs gekennzeichnet ist. Kierkegaards Beispiele lauten:

«Wenn ein Mensch so spräche, daß man den Schlag der Zunge hörte usw., so spräche er schlecht; wenn er so hörte, daß er die Luftschwingungen hörte statt des Wortes, so hörte er schlecht; wenn jemand ein Buch so läse, daß er beständig jeden einzelnen Buchstaben sähe, so läse er schlecht. Gerade dann ist die Sprache das vollkommene Medium, wenn alles Sinnliche darin negiert ist.» [10]

In exakt diesem, letztlich aristotelischen, Sinn [11], wird der Eindruck von Unmittelbarkeit, im Sinne eines optischen Durchscheinens, das Sinnbild von Transparenz schlechthin und bleibt immer dann theoretisch relevant, wenn es um die Emergenz von Sinn und (medial verstandener) Zweckmäßigkeit geht:

«Ich richte z. B. meinen Blick auf ein Haus. Ganz nah vor meinen Augen befindet sich die durchsichtige Luft. Von ihr nehme ich nichts wahr, ich blicke durch sie hindurch. [...] Beim Wahrnehmen durch das Gehör liegen die Dinge meist ebenso. Wir hören z. B. eine Pfeife. Was zwischen uns und der Pfeife ist, wird übergangen, wir hören durch die Luft, wie wir durch die Luft sehen.» [12]

Da es sich bei den Zeug-Analysen Heideggers eben auch um eine der philosophisch folgenreichsten Versionen der Denkfigur Transparenz/Opazität handelt, liegen auch hier neben der Werkzeug-Metaphorik auf Sichtbarkeit bezogene Argumente nahe: «Für den, der zum Beispiel eine Brille trägt, die abstandsmäßig so nahe ist, dass sie ihm auf der Nase sitzt, ist dieses gebrauchte Zeug umweltlich weiter entfernt als das Bild an der gegenüber befindlichen Wand.» [13] Die hier in Nähe und Distanz übersetzte Wechselwirkung von Transparenz und Opazität besagt vor allem, dass «umweltlich», also im tätigen Umgang mit der Welt, Dinge gerade dann umso unsichtbarer, oder genauer gesagt, durchscheinender sind, je mehr sie in der Sinnhaftigkeit ihres Gebrauchszusammenhanges aufgehen.

Dies ist auch die Logik des Erzählers von Kafkas Sorge des Hausvaters, wenn er vermutet, Odradek habe einstmals einen Zweck gehabt. Was Odradek nämlich jetzt für den geplagten Hausvater so irritierend macht, ist, dass ersterer allein aufgrund der Tatsache sichtbar zu sein scheint, dass ihm eine Zweckhaftigkeit nicht zugesprochen werden kann, es jedoch andererseits keine Anzeichen gibt, dass er/es jemals in die «Verweisungsmannigfaltigkeit des Um-zu» eingebettet war.

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