Während Historiker hier sicher die Anspielung auf Reinhart Kosellecks Geschichtliche Grundbegriffe erkennen, haben die Grundbegriffe für die Disziplin Kunstgeschichte in ihrer Wölfflinschen Diktion eine eigene Gravitation, die seit dem Iconic Turn gerade auch neue Analysefelder eröffnet hat. Aus den Konzepten der politisch-sozialen Begriffsgeschichte und der formalistischen Kunstgeschichte ergibt sich jedoch eine Spannung, deren methodisches Potenzial unausgeschöpft bleibt.
Das auf 100 Einträge festgelegte Format folgt dabei insgesamt einem stringent systematischen Entwurf. In ihm finden sich kleine Meisterstücke, wenn es etwa in den Lemmata zu «Kunstgeschichte/ Kunstwissenschaft» von Hubert Locher oder zu «Methode» von Hubertus Kohle gelingt, diese weiten Felder in äusserster Präzision in bestechende Kürze zu fassen. Wenn jedoch durch die knapp bemessene Beitragslänge beispielsweise beim Thema «Raum» der Verweis auf den Spatial Turn fehlt, oder im Eintrag «Zeichnung» nicht auf die reichen Erträge der jüngsten wissenschaftshistorischen Zeichnungsforschung verwiesen wird, dann wird lediglich einer De-Interdisziplinierung der Kunstgeschichte Vorschub geleistet, die letztlich einer Vereinzelungsstrategie gleichkommt. [3]
Obwohl manche Lemmata gerade ob ihrer Verdichtungsleistung beeindrucken, hat die Kürze auch ihren Preis. Denn gerade für ungeübte Leser, für Laien oder Studienanfänger wird nicht ersichtlich, dass viele dieser kunstwissenschaftlichen Grundbegriffe ihre Schärfe und (Re-)Präzisierung auch aus einer jungen Debatte erfahren haben, die sich aus der Auseinandersetzung mit nicht-künstlerischen Bildern oder Dingen speiste.
Ein auf der Oberfläche auf ‹Kunst› hin enggeführter Grundbegriffskanon vermittelt ein konservatives Bild des Fachs, das seine Methodik in den vergangenen Jahren jenseits der eigenen Grenzen geschärft hat. [4] Zwar sind mit «Iconic/Pictorial Turn» und «Bild» diejenigen Begriffe aufgenommen, die die Debatte seither auch für die Frage der kunstwissenschaftlichen Methodik angetrieben haben. Aber die Spur, die dies in der Theoriebildung des Faches und in seinen Begriffen hinterlassen hat, ist hier nicht immer aufzuspüren. Dadurch stellt sich das ungute Gefühl ein, dass die Grenzen um die Gegenstände und Methoden des Faches zu eng gezogen sind. Wenn der Preis des Formats ist, den Kanon auf die Kunst zurückzudrängen, wäre der Preis zu hoch: 100 Grundbegriffe würden hinter den Horizont zurückfallen, der sich gerade auch durch die fünf Wölfflinschen Grundbegriffspaare zunächst eröffnen liess.