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3. Über das Format hinaus – Ein implizites Forschungsprogramm zwischen den Begriffen

Dass sich der Umfang eines wie auch immer gearteten Begriffs’kanons’ der Disziplin Kunstgeschichte nicht so eindeutig fassen lässt, wie es die ‹Grundbegriffe› Glauben machen, zeigt der weitaus umfangreichere, von Ulrich Pfisterer herausgegebene Band, der nun bereits in der zweiten Fassung vorliegt. In diesem Handwörterbuch wird den um 25 Lemmata angewachsenen nun 137 Einträgen auf 518 Seiten im Mittelformat (230 mm x 155 mm) weitaus mehr Raum gegeben. Schon der Untertitel «Ideen – Methoden – Begriffe» macht deutlich, dass es hier um etwas anderes geht als allein um Begriffsarbeit. In der Überarbeitung von der ersten zur zweiten Auflage zeichnen sich nicht nur Tendenzen und Trends ab, sondern auch, dass hier forschungs- und problemorientiert am Selbstbild des Fachs gearbeitet wird. Und der Erfolg dieses unter Kollegen und Studierenden beliebten Bands zeugt vom Bedarf dieser Arbeit.

Bereits im nun wiederabgedruckten Vorwort zur ersten Auflage von 2003 kommt auch Pfisterer nicht umhin, die Wahl von «Kunstwissenschaft» anstelle der «geläufigere[n] Bezeichnung ‹Kunstgeschichte›» (IX) für den Titel zu begründen. Dies geschieht zunächst wie bei Reclam aus einem Abwehrgestus heraus – jedoch nicht gegen ein Stilepochenbild der Kunstgeschichte, sondern hier mit dem Argument, «schlicht der Verwechslung mit einem kunsthistorischen Sachwörterbuch» (IX) vorbeugen zu wollen. Darüber hinaus zielt Pfisterer damit auch auf eine historische Parallelisierung ab: Angeknüpft werden soll an die «um 1900 aufkommende Diskussion über das Verhältnis von theoretisierender Ästhetik und positivistischer Kunstgeschichte und ihre Synthese in einer neuen ‹Kunstwissenschaft›.» (IX)

Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass auf diese Weise auch ein namentlicher Zwitter aus Bildwissenschaft und Kunstgeschichte historisch gerechtfertigt wird, um einer sich vermeintlich abzeichnenden Spaltung des Fachs entgegen zu treten: «Zu einem Zeitpunkt, da sich erneut eine eher historisch und an (wenigen) traditionellen Methoden ausgerichtete ‹Kunstgeschichte› und neue interdisziplinäre, von Theorien-Vielfalt bzw. der dezidierten Orientierung an aktuellen Ansätzen gekennzeichnete ‹Wissenschaft der Bilder› auseinander zu bewegen scheinen, mag der Begriff ‹Kunstwissenschaft› an die Interdependenzen von Geschichtlichkeit und aktuellem Denken bzw. Wahrnehmen erinnern, kurz: an die historischen Grundlagen und Bedingtheiten jeder zukünftigen Bildwissenschaft.» (IX).

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