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Der im Vorwort formulierten Herausforderung, die sich aus der transdisziplinären Bilderfrage ergibt, begegnen die Beiträge mit sehr unterschiedlichen Antworten. Anders als bei Reclam wird hier per editorischer Leitlinie von einem konsequent einheitlichen Aufbau der Einträge von vornherein abgesehen (IV). Wenngleich dies dem Format eines Lexikons eigentlich widerspricht, lebt der Band von dieser Vielfalt und wirkt dadurch weniger affirmativ: er zeigt die diversen Sichtweisen auf das Fach und die heterogene historische Entwicklung seiner Begriffe. Wie unterschiedlich gelagert schon allein die Begriffe selbst sind, die mal eher historisch («Schule»), mal eher in aktuellerem Gewand («Transparenz/Opazität») daherkommen, wird deutlich, wenn aufeinander so unterschiedliche Einträge wie «Visual Cultures Studies», «Vita» und «Wahrheit» folgen können.

Innerhalb der Lemmata geht es stets darum, nicht nur historische Entwicklungslinien aufzuzeigen, sondern auch auf Konjunkturen oder Dominanzen hinzuweisen, wenn etwa «Leitkategorien» («Raum») oder «expandierende Forschungsfelder» («Postkolonialismus») identifiziert werden. Daraus ergeben sich Forschungsperspektiven, die immer wieder explizit angesprochen werden. Das geht so weit, dass auf «Chancen, die nicht verpasst werden dürfen», hingewiesen wird («Neuronale Kunst- und Bildwissenschaft»), die der Fachleserschaft als Aufgaben ins Pflichtenheft geschrieben werden. Wenn es durch die programmatischen Aussagen der Einzelbeiträge den Anschein hat, dass sich in der Zusammenstellung der Begriffe ein Programm des gesamten Fachspektrums abzeichnen soll, werden aber auch Schieflagen deutlich. Auch in dieser neuen Fassung kommen etwa viele Gegenwartsphänomene der Kunst immer noch ein Stück weit zu kurz, wie dies Heinrich Dilly schon angesichts der Erstauflage anmerkte. [5]

Aber aus den Verengungen ergeben sich auch implizit Desiderate. Zunächst wird nicht immer ganz plausibel, warum welche Begriffe auftauchen: etwa wenn «Datenbank» sowie «Virtualität und Interaktivität» aufgenommen sind, jedoch nicht der inzwischen stärker beforschte Begriff «digitales Bild». Auch in Bezug auf einzelne Kategorien bleibt für die Methodik des Fachs zu diskutieren, ob Begriffe wie «Repräsentation» noch ohne jene intensive Forschung der Wissenschaftsgeschichte auskommen können, die für ‹Sichtbarmachungen› naturwissenschaftlicher Phänomene oder gesamte epistemische Bildprozesse unhintergehbare Modelle und Theorien der ‹Repräsentation› entwickelt hat. [6]

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