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Über die paradoxe Ähnlichkeit zwischen jüdischem und römischem Religionsverständnis in der Statuenaffäre unter Caligula

In her paper Sophie Schweinfurth investigates the grave consequences of the ‹statue affair› on the Jewish-Roman relationships: due to the order of the third Roman emperor Caligula to erect his statue in the Temple of Jerusalem the Jewish-Roman relationship teetered on the brink of collapsing. Centred around the image of the emperor, the following disputes brought a fundamental misunderstanding between Romans and Jews to light and unearthed the contradiction of the religious-political concepts of both parties.

1. Situation

Wahrscheinlich im Herbst 39 n. Chr. [1] erreichte den Statthalter von Syrien, Publius Petronius, ein Brief seines Kaisers Gaius Iulius Caesar Augustus Germanicus, postum bekannt als Caligula [2]. In dem Schreiben befahl der Kaiser seinem syrischen Statthalter, eine monumentale Statue seiner Person im Tempel von Jerusalem aufzustellen. Diese Direktive zur gewaltsamen Durchsetzung des römischen Kaiserkults im Herzen des jüdischen Kultes führte die römisch-jüdischen Beziehungen in die tiefste Krise seit ihren Anfängen.

Caligula galt schon den antiken Historikern als Beispiel eines entarteten Alleinherrschers. Für die Moderne wurde er spätestens seit Ludwig Quiddes Anfang der 1890er Jahre verfassten Studie [3] zum Paradigma des Cäsarenwahnsinns; jenem Syndrom, das sich vollends erfüllt «[…], wenn Blutdurst, Grausamkeit und Zuchtlosigkeit in den Dienst des Vergötterungsgedankens treten» [4].

Auch wenn die historische Forschung in den letzten Jahren viel getan hat, dieses Urteil einer kritischen Revision zu unterziehen – in der Hauptsache sei hier Aloys Winterlings Caligula-Biographie [5] genannt –, die Faszination am pervertierten Größenwahn dieses dritten römischen Kaisers, an Wahnsinn, Gewalt- und Sex-Orgien, Inzest und irre-machender Machtfülle bleibt erhalten. Die Geschichtsschreibung hat ein Monster, eine Phantasie geboren, von der man nicht lassen möchte – Caligula bleibt der «monströse Kaiser» [6], «one of the most evil men in history». [7] In diesem Sinne schreibt der folgende Aufsatz auch gegen ein Bild an, eine Projektion, die den Blick auf diese historische Figur nach wie vor dominiert.

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