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5. Die Konfrontation

Nur in diesem Zusammenhang lässt sich die «Statuenaffäre» verstehen, von der nun die Rede sein soll: Im Frühjahr 40 n. Chr. erreichte Caligula die Nachricht, dass Teile der jüdischen Bevölkerung von Jamnia, einer Stadt in Judäa, eine Kultstätte für den Kaiserkult zerstört hatten. Caligula reagierte, indem er seinen syrischen Statthalter, Publius Petronius, anwies, eine Kolossalstatue des Kaisers i. e. Caligulas im Tempel von Jerusalem aufzustellen. Aus Philos Darstellung, der in der Affäre Teil der jüdischen Gesandtschaft nach Rom war und im Anschluss die Ereignisse in seinem Bericht Legatio ad Gaium schilderte, lässt sich lesen, dass es sich bei der Zerstörung von Jamnia nicht um einen romfeindlichen Akt handelte, sondern dass sich die jüdische Bevölkerung gegen ihre pagane Umwelt wehrte, die, wie so oft, in Opposition zu jüdischen Geboten operierte.

«Jamnia, one of the largest cities of Judaea, has a mixed population, the major being Jews and the rest gentiles who have wormed their way in from neighbouring countries. These settlers caused trouble and annoyance to those who may be described as the natives of the place by continually violating some one or other of the Jews’ traditions. These gentiles learnt from travellers how enthusiastic Gaius (Caligula, m. A.) was about his own deification and how hostile he was towards the whole Jewish race. So assuming that a suitable opportunity for an attack had come their way, they built a rough and ready altar of the most shoddy material, namely clay bricks, for the sole purpose of plotting against their fellow townsmen. For they knew that they would refuse to tolerate the violation of their customs, which was precisely what happened. For when the Jews saw the altar and were greatly incensed at the effectual destruction of the sanctity of the holy land, they gathered together and pulled it down.» [69]

Aus römischer Sicht, und erst Recht aus der Sicht des Kaisers, in dessen Selbstverständnis dem Kaiserkult eine zentrale Rolle zukam, war das vollkommen irrelevant: die Zerstörung einer Kaiserkult-Stätte war ein politischer Akt. Die ganze Angelegenheit war zu einer Frage der Staatsraison geworden [70]. Man hat die Antwort Caligulas auf die jüdische Provokation – und nichts anderes war es aus römischer Sicht – für merkwürdig gehalten. [71] Doch in Anbetracht der geschilderten Umstände, erscheint sie von bestechender Logik, denn sie zielte ins Herz der jüdisch-römischen Antinomie. Das Bilderverbot als Wächter des jüdischen Monotheismus galt den Römern als Charakteristikum der jüdischen Religion – in seiner Preisgabe sollten die Juden ihre Loyalität zu Rom und Kaiser beweisen. Das Bild des Kaisers im Tempel von Jerusalem wäre nicht nur der sichtbare Beweis der jüdischen Rom-Treue gewesen, es hätte gleichzeitig die bestehenden Machtverhältnisse visuell demonstriert: der Kaiser war Judäas einziger Herr – Jhwh hatte politisch nichts mehr zu sagen.

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