>>
[8]

Quidde, Caligula (Anm. 3), S. 50.

 

Sich davon distanzierend soll es im Folgenden dennoch um etwas anderes gehen als die hypothetische Unterstellung politischer Kohärenz der vermeintlichen Wahnsinnstat eines Tyrannen. Das Ansinnen des Kaisers, seine Statue im Tempel von Jerusalem aufstellen zu lassen, charakterisiert Quidde folgendermaßen: «Auch von dieser Steigerung seiner Wahnsinnsausgeburten schien Caligula der Welt ein Beispiel in großem Maßstabe hinterlassen zu wollen, als die Juden – und zwar, wie es scheint, sie allein – sich weigerten seine Statue im Tempel aufzustellen und ihr Anbetung zu erweisen. Mit Feuer und Schwert war er im Begriff, das ganze Volk zu seinem Dienste zu zwingen […].» [8]

Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es nicht, die persönlichen Motive Caligulas zu plausibilisieren, sondern zu zeigen, wie durch den Befehl dieses Kaisers, den Kaiserkult bildlich bei der jüdischen Bevölkerung durchzusetzen, grundsätzlich die Möglichkeit der Integration der Juden in das römische Reich in Frage gestellt wird. Und dadurch gleichsam eine Fragilität in den römisch-jüdischen Beziehungen exemplifiziert werden kann, die ihr von Beginn an eingeschrieben war – eine Fragilität, die auf der Unvereinbarkeit der Religionspolitik des römischen Reiches und dem politischen Religionsverständnis seiner jüdischen Vasallen gründet. In der Statuenaffäre bricht diese Unvereinbarkeit erstmals mit aller Deutlichkeit auf und macht so das Missverständnis zwischen römischem Herrschaftsanspruch und jüdischer Autonomiewahrung im Spannungsfeld von Religionspolitik und politischem Religionsverständnis beschreibbar.

Hierfür scheint es zuerst angebracht, das Bilderverbot als zentralen Aspekt jüdischer Religion zu akzentuieren. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, die römische Religionspolitik zu konturieren und ihren substantiellen Widerstreit mit dem jüdischen Religionsverständnis nachzuvollziehen. Jener zweite Schritt kann nicht auskommen ohne die kritische Auseinandersetzung mit dem römischen Principat, dessen intrinsische Ambivalenz unter der Herrschaft Caligulas erstmals systematisch offenbar wird. Interesse der anschließenden Überlegungen ist es nicht, theologisch der Frage nachzuspüren, inwiefern der alttestamentliche Monotheismus sich in seiner anikonischen (apophatischen) Grundtendenz mit einem rationalen Polytheismus (unendlich viele Götter, unendlich viele Bilder) vereinbaren lässt, oder eben auch nicht. Es soll vielmehr darum gehen, in der Statuenaffäre unter Caligula ein historisches Moment zu identifizieren, in dem sich die Unvereinbarkeit von römischer und jüdischer Religionsauffassung manifestiert. Die römisch-jüdische Antinomie offenbart sich in der Konvergenz von Streitbild und Bilderstreit als einer im vorliegenden historischen Kontext unvermeidlichen Politisierung des Bildes.

<<  Ausgabe 04 | Seite 35  >>