Ex 20, 4 - 5.
Köckert, Die zehn Gebote (Anm. 139), S. 54-55.
Vgl. Wagner, Alttestamentlicher Monotheismus (Anm. 9), S. 7.
Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung. Oder der Preis des Monotheismus, München/Wien 2003, S. 97.
Burkhard Gladigow, Art. Kultbild, in: HRWG IV (1997), 9-14, hier S. 14.
Gladigow, ebd., S. 11.
Und in diesem Wollen offenbart Gott gleichzeitig und endgültig seine Auswahl Israels als «sein Volk» [19]. Doch gerade im Kontext des Dekalogs richtet sich Gott nicht einfach an das Volk Israels, an eine unidentifizierbare Masse – die Gebote müssen von jedem Einzelnen befolgt werden. Das Du meint zu allererst das einzelne Subjekt, das sich in der Befolgung der Gebote dem Geschenk der Freiheit persönlich stellen muss. Und gleichzeitig begründet sich in der geteilten Erfahrung dieser nur in Gott gründenden Freiheit die Zugehörigkeit zum Nächsten.
Die Präambel wieder aufnehmend formuliert der Dekalog das erste und zweite Gebot: «Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst Dir kein PÄSÄL (=KULTBILD) machen, und (nicht) von all dem ein Abbild, was oben im Himmel, was unten auf Erden und was im Wasser unter der Erde ist. Fall nicht vor ihnen nieder (um sie anzubeten) und diene ihnen nicht! Denn ich bin Jahwe, dein Gott, (bin) ein eifernder Gott […].» [20]
Das erste Gebot bedeutet die Schaffung einer doppelten Exklusivität: die Bindung des Einzelnen an den einen Gott Jhwh wie den Anspruch dieses Gottes, der einzige Gott zu sein [21]. Ob damit das erste Gebot bereits die Abkehr von einem polytheistischen Denkhorizont vollzieht, sei an dieser Stelle dahingestellt – vielmehr sei festgehalten, dass das erste Gebot jenen Umstand ausformuliert, der spätestens ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. [22] dem polytheistischen Umfeld als ein entscheidendes Charakteristikum der jüdischen Religion gilt: der Ein-Gott-Glaube.
Der Fixierung dieses exklusiven Bündnisses schließt sich das Bilderverbot an. Es ist jenes Gebot, das die jüdische Religion am radikalsten von dem sie umgebenden religiösen Umfeld unterscheidet. Um diese Radikalität zu verstehen, gilt es, die Omnipräsenz des Kultbildes und seine zentrale Bedeutung für die verschiedensten paganen Kulte zu verstehen. Grob vereinfachend lässt sich für jede pagane Religionspraxis von Babylon über Ägypten bis nach Griechenland sagen: Das Bild stiftet den Kontakt mit dem Göttlichen. Die Unmittelbarkeit der mythischen Gottesnähe wird im Kult ersetzt durch «[…] Mittelbarkeit und Repräsentation» [23]. Und im Konzept der vermittelten Gottesbegegnung kommt dem Kultbild eine Schlüsselrolle zu: «Kultbilder […] werden begrüßt und angeredet, berührt und geküsst, darüber hinaus regelmäßig versorgt, gespeist, gewaschen, gekleidet, geschminkt; ihnen wird – in Form von Räucherwerk, Gastmählern, Ausfahrten, musikalischen und szenischen Aufführungen – jede Art von Unterhaltung zuteil, die kulturell jeweils üblich ist.» [24] Genau hiergegen richtet sich das Bilderverbot – der hebräische Begriff päsäl referiert eindeutig auf das handwerklich hergestellte Kultbild [25].