Cicero, De natura deorum, 2, 72.
Karl Christ, Die Römer. Eine Einführung in ihre Geschichte und Zivilisation, München 1997, S. 167.
Jürgen Ebach hat richtig gesehen, dass in die Offenbarung des Namens das Bilderverbot implementiert ist und verweist auf die ab dem 6. Jh. v. Chr. belegte Tabuisierung des Gottesnamens, der im Kult durch die Anrede Adonaj (Herr) ersetzt wurde. [34]
Gottes Name ist unaussprechlich, unsagbar, unübersetzbar; in ihm manifestiert sich – aller biblischer Wort-Bilder zum Trotz [35] – das apophatische Gotteskonzept des Alten Testaments auch im Feld des Sprache und des Sprechens – man kann Gott, das absolut Andere, nicht sagen. Der Entzug des Namens, die Namenlosigkeit Gottes findet seine Fortsetzung im Bilderverbot: das Bilderverbot fordert, wie kein anderes Gebot, die Unverfügbarkeit Gottes ein, es besteht auf ihr und garantiert sie gleichermaßen. Im Umkehrschluss wird deutlich, was die Preisgabe des Bilderverbots für den alttestamentlichen Glauben bedeuten würde: die Preisgabe der absoluten Alterität Gottes. Und es ist jene Alterität, die uneinholbare Asymmetrie, auf der das Verhältnis zwischen Gott und dem Du [36] des Dekalogs gründet.
Von «römischer Religion» in einem modernen, tief durch den Monotheismus geprägten Sinne zu sprechen, muss auf Abwege führen, weil es bedeutet, die Beziehung des einzelnen Subjekts zu Gott in den Mittelpunkt der Religion, des Glaubens zu stellen – also jenes Religionskonzept vorauszusetzen, wie es im Tanach erstmals formuliert wird. Davon gilt es die «römische Religion» klar abzugrenzen als eine Form der Religiosität, der keine abstrakte Gottesidee unterlegt ist, sondern die sich vor allem und besonders durch ihre Ausübung, durch die Kultpraxis definiert und realisiert. Es ist die Teilnahme am Kult, in der sich Religiosität ausdrückt – die Pflege der Riten, Opfer, Kultbilder, durch die man sich des Wohlwollens der Götter vergewissert. Cicero liefert in De natura deorum eine Begriffsbestimmung, die das römische Religionsverständnis konkretisiert: «Diejenigen aber, die mit Gewissenhaftigkeit alles das, was zum Götterkult gehört, wie zuvor verabfolgen und gleichsam beachten, werden entsprechend dem Wort ‹religere› religiös genannt.» [37]
Der Pragmatismus der «römischen Religion» äußert sich im Prinzip des do ut des. Und in diesem Prinzip ist von Beginn an der politische Charakter dieser Religion angelegt – die pax deorum gilt als Voraussetzung und Garant der pax imperii – pietas, römische Frömmigkeit meint die Anerkennung von Bindungen, privat und politisch [38]. Deshalb ist die Religion keine Angelegenheit des Einzelnen, sie ist immer auch Staatsreligion im Sinne der Versicherung der pax deorum/pax imperii durch die pietas des römischen Bürgers.