>>
[47]

Simon R. F. Price, Rituals and Power: The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984.

[48]

Price, ebd., S. 248.

[49]

Bernett, Der Kaiserkult in Judäa (Anm. 1), S. 8-9.

[50]

Vgl. Christ, Die Römer (Anm. 39), S. 62-69.

 

Die Frage erübrigt sich, wenn man den Kaiserkult im Rahmen der oben beschriebenen do ut des-Beziehung betrachtet, die das Verhältnis zu den traditionellen Göttern schon immer strukturiert hatte. Es mag wohl sein, dass die vergöttlichten Kaiser kein eigenes Kerygma oder Dogma hatten, dass man sie nicht anrief in Notsituationen [46], aber es sei erneut in Anschluss an Simon Price [47] auf die Vorrangigkeit des Rituals im Bereich der paganen Religionspraxis aufmerksam gemacht: «Using their traditional symbolic system they represented the emperor to themselves in familiar terms of divine power. The imperial cult, like the cult of the traditional gods, created a relationship of power between subject and ruler. It also enhanced the dominance of local elites over the populace, of cities over other cities […] That is, the cult was a major part of the web of power that formed the fabric of society.» [48] Politik und Religion sind im Kaiserkult untrennbar miteinander verbunden.

Eine weitere Konsequenz des Kaiserkults sei an dieser Stelle erwähnt: sie betrifft die Omnipräsenz des Kaiserbildnisses im öffentlichen Raum in Form von Statuen und Münzbildnissen. Monika Bernett hebt die kognitive und emotionale Bedeutung des Kaiserkults für die antike Gesellschaft folgendermaßen hervor: «Der Kaiserkult strukturierte demnach nicht nur allgemein die Kognition der politischen und religiösen Welt der Bewohner des römischen Reiches. In kürzester Zeit hatte er auch den urbanen Raum neu strukturiert (im Rahmen des Kaiserkults dedizierte Bauten, Monumente und Bildnisse), die (soziale) Zeit neu eingeteilt (neue Zeitrechnungen, neue Feste), Nomenklaturen verändert (neue Städte-, Monats-, Demen- und Phylennamen) sowie – im Rahmen der neuen distributiven Festkultur und der kaiserkultlichen Euergesie – den gesellschaftlichen Status seiner Partizipanten und Nutznießer verändert. Der Kaiserkult beeinflusste, wo immer er sich manifestierte, nachhaltig das gesamte Gefüge von Kultur und Gesellschaft.» [49] Vom Kaiserkult zu sprechen bedeutet also von einer religiösen, politischen und sozialen Erscheinung zu sprechen, die die Lebenswelt im römischen Reich konstitutiv durchdrang.

Bevor auf die Bedeutung einzugehen sein wird, die der Kaiserkult für die römisch-jüdischen Beziehungen hatte, sei die Handhabung durch seine Adressaten, die Kaiser, und besonders durch Augustus im frühen Principat konturiert: Als Augustus im Jahr 27 v. Chr. vom Senat quasi die alleinige Verfügungsgewalt übertragen und gleichsam das Ende einer der schlimmsten Bürgerkriege in der römischen Geschichte offiziell bestätigt wurde [50], stand der Kaiser vor der Quadratur des Kreises: als de facto Alleinherrscher galt es, die Alleinherrschaft zu leugnen, um den Schein Roms als Republik aufrecht zu erhalten. Das Beispiel Cäsar hatte eindrucksvoll gezeigt, wie katastrophal eine allzu aggressive Selbst-Inszenierung persönlicher Macht im inner-römischen Kontext enden konnte. Augustus bemühte sich von Anfang an, seine Vorrangstellung jeglichem Monarchie-Verdacht zu entziehen:

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