Erklären lässt sich diese Frage allein als Reaktion auf die starke Wirkung, die diese Fotografien hervorrufen. Sie weist somit auf den Zusammenhang dessen hin, wie Bilder wirken und wie auf Grund dieser Wirkung mit Bildern umgegangen wird.
Mit dem Aufkommen dieser Frage ist der Einsatzpunkt für das Thema des vorliegenden Beitrags markiert. Im Folgenden soll es nämlich darum gehen, dem Streit um die Bilder nicht als Streit um das, was Bilder sind, nachzugehen, sondern den Bilderstreit als eine Auseinandersetzung darüber zu verstehen, was Bilder – gemessen an ihrer Wirkkraft – können und sollen. Im Rahmen der World Press Photo Exhibition ist immer wieder diskutiert worden, welche Bilder welche Wirkungen hervorrufen und in welchem Rahmen sie aufgrund eben dieser Wirkungen gezeigt werden sollen/dürfen. [5]
Die Diskussion, die mit solchen Überlegungen in Zusammenhang steht, möchte ich mit Rückgriff auf Jacques Rancière und Platon als Frage nach dem Ethos des Bildes theoretisch entfalten. Dabei tritt Platon als derjenige Theoretiker auf, der auf die Wichtigkeit dieser Frage allererst hinweist, während für Rancière die platonische Fragestellung selbst schon derart regulierend verfährt, dass sie einer vorausschauenden Auseinandersetzung mit Bildern und Kunst zuwiderläuft. Rancière wirft Platon eine normative Limitierung vor, die die Bilder aufgrund ihrer Wirkkraft ganz bewusst aus seinem Staat ausschließen will. Da die Bilder gewissermaßen nicht zu kontrollieren sind, müssen sie aus dem durch und durch gleichmachenden, konsensuellen Gebilde der platonischen Gemeinschaft ausgegliedert werden. Mit Rancières Lesart wird im Positiven zwar bereits angezeigt, dass es Platon nicht nur um eine Bestimmung des ontologischen Status des Bildes geht, sondern dass er sich an entscheidenden Stellen der Frage widmet, wie es um den epistemologischen und damit verbunden den ethischen Gehalt des Bildes bestellt ist.
Ob seine Kritik trotz dieser wichtigen Akzentuierung aber nicht zu kurz greift, soll im Rahmen der vorliegenden Überlegungen mit Blick auf die Vielstimmigkeit und die dissensuelle Kraft in den Dialogen Platons selbst noch einmal überprüft werden. Dieser Blick soll zeigen, dass es um Platons Ansicht keineswegs so gleichmacherisch bestellt ist, wie Rancière dies mitunter vorschlägt. Nicht nur Rancière streitet demnach mit Platon über das Ethos des Bildes, sondern schon bei Platon selbst zeichnet sich eine leidenschaftliche, sich immer wieder selbst befragende Diskussion über die Wirkung der Bilder ab und wird der Frage nachgegangen, wie mit eben jener Wirkung umzugehen ist, die sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Hinsicht den immer nur vorläufigen Status der scheinbar setzenden Aussagen des platonischen Sokrates aufweisen.