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Nach Rancière beruht dieser strategische Ausschluss der Bilder aus dem Staat bzw. die normative Limitierung ihrer Wirkung darauf, dass Platons Ästhetik auf einer problematischen Aufteilung des Sinnlichen gründe: «Platons Verbannung der Dichter gründet sich nicht erst auf den unmoralischen Inhalt der Fabeln, sondern bereits auf die Unfähigkeit, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Die Frage, was Fiktion ist, ist zunächst die Frage nach der Verteilung von Orten. Aus platonischer Sicht bringt die Theaterbühne – zugleich ein Raum öffentlicher Vorführung und ein Ort der Vorführung von ‹Trugbildern› – die Aufteilung von Identitäten, Tätigkeiten und Räumen durcheinander.» [17] Damit würden die Bilder auch das, was bereits konsensuell als richtige Aufteilung des Sinnlichen festgelegt worden wäre, nachträglich wieder durcheinander bringen und zur Disposition stellen. Platon will aber nach Rancière keinen Streit – weder um die Aufgabenverteilung in seinem Staat noch um den Ort der Bilder, also weder in politischer noch in ästhetischer Hinsicht.

Das ethische Regime der Bilder

Das von und mit Platon begründete «ethische Regime der Bilder» [18] interessiert sich zunächst nicht für den spezifischen Charakter oder die Seinsweise der Bilder. [19] Hier ist also nicht primär von Interesse, was ein Bild als solches ist. Vielmehr wird dem nachgespürt, was Bilder ihrer Möglichkeit nach tun – im Sinne der Wirkungen, die sie hervorrufen können. Abhängig von der Wirkung zeigt sich dann die Frage danach, was Bilder dürfen und sollen. [20] Damit geht es im ethischen Regime der Bilder um die Frage nach einer adäquaten Rahmung für die Bilder. Also: in welchem Kontext dürfen Bilder ausgestellt werden, um ihre Wirkung in einer wünschenswerten Weise zu entfalten?

Platon beschäftigt diese Frage nachhaltig in der Politeia und in den Nomoi. In den Nomoi wird nach dem adäquaten Einsatz der Bilder für Erziehungszwecke gefragt. [21] Geknüpft daran geht es um die Frage, welche Wirkung die Bilder hervorrufen sollen, die für die Erziehung gebraucht würden. [22]

Nach Platon muss für die Klärung der Frage dessen, was ein Bild darf und in welchem Rahmen es innerhalb einer Gemeinschaft zum Einsatz kommen soll, zunächst gefragt werden, was es in Bildern zu erkennen gibt. Vor der Untersuchung der ethischen Dimension des Bildes muss ihm also in epistemologischer Hinsicht nachgegangen werden. So beschäftigt sich Sokrates zu Beginn des zehnten Buchs der Politeia damit, welchen Status das Werk des Nachbildners (mimētēs) hat, um danach feststellen zu können, in welchem Verhältnis zum wahrhaft Seienden es steht. Er wählt das Beispiel des Bettgestells, um seinem Gegenüber Glaukon darzulegen, wie es sich mit der Seinsweise des Bildes verhält: [23]

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