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The subjective subject of feelings seemed at last to be becoming objective. Now it seems that a good chunk of the papers in this field contain exaggerated claims, according to an analysis which suggests that ‹voodoo correlations› often inflate the link between brain areas and particular behaviours.» [1]  Am folgenden Tag druckte Nature einen ganzseitigen Artikel in seiner News-Rubrik; binnen Tagen sprangen Hunderte von Zeitungen, Internetforen und Blogs auf das Thema auf. [2]

Inversion der Zeit: Rezeption und Publikation von Wissenschaft im Kontext neuer Medien

Zum Zeitpunkt der heftigen Debatte war gar keine wissenschaftliche Arbeit publiziert worden, vielmehr hatten die Verfasser einer geharnischten Kritik ihren Aufsatz in der akzeptierten Fassung im Internet zugänglich gemacht, was völlig ausreichte, um die gewaltige Diskussion auszulösen. Der Erstautor Edward Vul hatte zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht einmal seine Promotion in Cognitive Science am MIT abgeschlossen, konnte allerdings schon mehr als ein Dutzend Publikationen in seinem Lebenslauf auflisten. In dem Aufsatz zeigte er keine falsche Scheu, etablierte Kollegen in großer Zahl beim Namen zu nennen und deren Veröffentlichungen einer kritischen Prüfung der verwendeten statischen Datenanalyseverfahren zu unterziehen. Inzwischen ist der Aufsatz als «Puzzlingly High Correlations in fMRI Studies of Emotion, Personality, and Social Cognition» mitsamt sechs Stellungnahmen und einer Replik seitens der Autoren publiziert worden – mit dem Hinweis «The paper formerly known as Voodoo Correlations in Social Neuroscience», weil die Herausgeber der Perspectives on Psychological Science auf dieser Abmilderung im Titel bestanden hatten. [3] Aber seine Rezeption hatte er schon vorher gehabt; die ordnungsgemäße Veröffentlichung auf den Seiten der Zeitschrift und bzw. die Drucklegung konnten allenthalben nur noch quasi ein Albumblatt im nachhinein zur Dokumentation hinzufügen.

Deutlicher lässt sich nicht zeigen, wie Internet und neue Medien die traditionellen Publikationsformen und Rezeptionswege wissenschaftlicher Praxis umkrempeln und damit auch Anerkennungsrituale und Reputationsstrategien auf den Kopf stellen. Aber diese Beschleunigung der Debatte, der Sensationswert der Nachricht und die Hektik der Reaktionen auf sie erscheinen mir in diesem Fall bemerkenswert – nicht im Sinne der oft beklagten Beschleunigung des Publikationswesens bzw. -unwesens, wo dann oft auch wenig Haltbares in die Öffentlichkeit gerät, sondern als Hinweis auf die sozioepistemische Brisanz der Debatte: «Wissenschaft kann warten», hat Hans Blumenberg einmal prononciert formuliert, um die Besonderheit dieses auf Wahrheit verpflichteten Diskurses im Unterschied zu den unter Handlungszwang stehenden Bereichen der Gesellschaft herauszustreichen. [4]

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