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Für die erwachende «Baulust» in den Vorstädten Rixdorf, Schöneberg, Friedenau und Deutsch-Wilmersdorf hatte der Abriss ein weniger antikisierendes Gepräge: «Stark begehrt sind die von den grossen Abrüchen in Berlin herrührenden Mauersteine. So werden auch die meisten Materialien des Berliner Domes hier bei zahlreichen Häusern wieder Verwendung finden.»

Das ohnehin prekäre Zentrum dieser unzentrierten und bestenfalls polyzentrischen Stadt ist durch das Monstrum des Neuen Doms vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten. Der seit 1904 sich aufblähende «Neue Dom» vernichtete die einigermassen gezähmten Proportionen, die Schinkel und Lenné dem baulich heterogenen Ensemble des Lustgartens, mit dem wuchtigen Kasten des seit jeher ungeliebten Schlosses im Osten, haben angedeihen lassen. Während Schinkel, der das Berliner Barock beargwöhnt und in weiten Teilen auch abgeräumt hat, das ältere Bauwerk von Bouman noch massvoll umzugestalten wusste, ist der neu entstehende Kirchenbau, der mit berlinisch parvenuhafter Übertreibung sogleich als einer «im Stil der italienischen Hochrenaissance» verkauft wird, im Grunde nichts anderes als der Triumph des zweiten Wilhelms schlechter Geschmack über Schinkel und über Friedrich Wilhelm IV.

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