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[24]

Lucy Lippard, Double Spread, in: Fusco, Hunt (Hg.), Put About (Anm. 2), S. 83. Zitat in eigener Übersetzung.

[25]

Mark von Schlegell, New Dystopia, Berlin 2011.

[26]

Ebd., S. 13. Zitat in eigener Übersetzung.

[27]

Ebd., S. 11. Zitat in eigener Übersetzung.

 

Konnektivität und Juxtaposition sind auch zentrale Strategien in Lucy Lippards editorischer Arbeit: «Die Doppelseite ist der Nullpunkt des ... Buchraums. Ein Bild spricht für sich allein, ein weiteres kritisiert es. Ein Bild kann stark sein, ein weiteres es entwaffnen, es anschüren, seine Bedeutung komplett verändern, eine neue Sequenz beginnen, mehr sagen. Und in einem Buch laufen die Sequenzen fort ... und bieten unendliche Möglichkeiten dafür, etwas Komplexes und Provokatives zu sagen.» [24] Wenn man Kuratieren eher offen als eine kreative und kritische Handlungsmacht für die Produktion von Wissen mit einem performativen Element versteht, lässt sich Lippards Definition leicht auch auf das Kuratorische ausweiten. Indem man somit das Editorische und das Kuratorische nebeneinander denkt, öffnet sich eine neue produktive Lesart der Doppelseite als Metapher für das Diptychon von Buch und Ausstellung als zwei Komponenten einer konzeptuellen Einheit.

Vor etwa zwei Jahren schuf der Science-Fiction-Schriftsteller und Kunstkritiker Mark von Schlegell mit Dystopia / New Dystopia mittels der Fiktion ein exzentrisches Hybrid zwischen Buch und Ausstellung. Als Co-Kurator der Ausstellung schrieb von Schlegell zunächst 2011 die Gruppenausstellung Dystopia im Musée d’art contemporain in Bordeaux und publizierte anschliessend einen «Roman-als-Ausstellung»: das Buch New Dystopia. [25] Der Geschichte von Schlegells, der sich selbst als Anhänger von «abgedrehter Theorie» bezeichnet, mag etwas schwer zu folgen sein. Mit seinem Ziel «das Genus Katalog zu feiern und zu verschlingen» [26] stellt das Buch allerdings eines der spannendsten Experimente in Bezug auf die Herstellung eines Raums gewissermassen im Dazwischen von Buch und Ausstellung dar.

Die zentrale Methode lässt sich hierbei als eine deterritorialisierende Spirale beschreiben: literarische Fiktion darf ins Museum, indem ein Schriftsteller als Kurator geladen wird, der seine Erfahrungen dann wiederum in das fiktionale Werk einfliessen lässt. Für von Schlegell wird das Buch zu einer «Zeitmaschine» oder zu einem «Wurmloch», wie er es mit typischen Science-Fiction Begriffen beschreibt. [27] Im Zusammenspiel mit den farbigen Reproduktionen von 46 Kunstwerken führt der Text (die Kapitel des Buches hier so eingeteilt, als wären sie verschiedene Räume in einem Museum) seinen Leser durch die Atmosphäre einer brüchigen Fantasie aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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