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Entwickelt man beide Momente argumentativ, führen sie aber in eine tiefe Aporie: Als Scheck ist es eine Fälschung und damit ökonomisch, vom Geldwert her, wertlos. Als Zeichnung, die dieser Scheck ja auch ist, ist es eine Imitation und damit künstlerisch, vom Kunstwert her, wertlos. Diese Aporiekonstellation wiederholt sich mit dem aufgedruckten Wort «ORIGINAL» in nuce. Es formuliert den Anspruch, ein Original zu sein, wie auch den Anspruch auf Originalität. Es fragt sich allerdings: worin ist es Original? Wo liegt seine «Originalität»? Im Dargestellten? In der Darstellung? Im Zusammenhang beider? [19]

Folgt man dem Anspruch des Dargestellten, ein Originalscheck zu sein, stimmt die Darstellung nicht: gerade die künstlerische Herstellung und damit hier der Anspruch auf gestalterische Originalität führen zur Fälschung. Die Darstellung desavouiert das Dargestellte. Sie entwertet es, macht es in ökonomischer Hinsicht wertlos. Folgt man der Darstellung in ihrem Originalitätsanspruch, passt das Dargestellte nicht so recht dazu: der darstellerische Originalitätsanspruch lässt eine Imitation sichtbar werden, die krudeste Form der Mimesis. Hier desavouiert das Dargestellte die Darstellung. Sie hat reproduktiven Charakter und ist darin künstlerisch nur wenig wertvoll.

Duchamps Scheck arbeitet auf diese Weise mit einer verdoppelten Referenz: der Thematisierung des Anspruchs von Dargestelltem und Darstellung auf jeweilige Geltung, die er aber ebenso in einer chiastischen Figur des gegenseitigen Unterlaufens verunmöglicht. In diesem Sinne macht der Tzanck Check die Unvereinbarkeit von Kunst und Ökonomie in der Moderne greifbar: es sind jetzt aus der Sicht der Kunst zwei getrennte Sphären.

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