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In Lochners Bild gibt es aber noch einen zweiten Geldort: am rechten Bildrand, knapp oberhalb der horizontalen Bildmitte mit einer Wucherer-Darstellung bzw. mit einer Darstellung, die die Höllenqualen eines Wucherers in einer Art psychischen Disposition zeigt: sein Ergriffen- und Traktiertwerden von Dämonen als eine Art von Obsession. Zugleich stellt sich über eine Schräge, die sich entlang des Körpers des hellbraunen, lang aufgestreckten und mehrgesichtigen Höllenwesens formuliert, eine Beziehung zur Prasser-Figur im Vordergrund her [Abb. 2]. In Wirkung dieser planimetrischen Verspannung lässt sich der Prasser als Wucherer bestimmen und die Szene wie die Anzeige der Höhlenqualen, die dem Prasser bevorstehen. [11] In erzählerischer Hinsicht ist dieses ein zeitlicher Vorgriff, auf das, was dem Prasser/Wucherer in der Höhle erwartet: Das Feuer, das die Gebäude aufzehrt, wäre dann als eine Anspielung auf das Höllenfeuer selbst zu verstehen, dessen Hitze als stärker als Stein gezeigt wird. [12]

Dass das Bild Lochners auf eine heilsgeschichtliche Legitimität des Geldumgangs zielt, lässt sich über eine andere Schräge plausibel machen. Sie wird über die Lanze des Engels gegeben, der, am rechten Rand des Erlöstenzuges, gerade mit dieser Lanze auf ein Höllenwesen einsticht [Abb. 2]. Mit dieser Schräge wird der mässige Geldgebrauch, wie er links der Mittelsenkrechten im Vordergrund gezeigt wird, direkt mit der Himmelspforte, durch die die Erlösten ziehen, in eine Beziehung gesetzt. Damit entsteht aus der planimetrischen Schrägenverspannung ein Beziehungsdreieck. Mit ihm geht es nicht mehr nur um die gezeigten Einzelmotive, sondern um die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen den Motiven, der im Blick auf das Bildthema als ein theologischer wie moralischer angesprochen werden kann.

In semantischer Dimension erscheint aus der planimetrischen Vernetzung der Motive im Bild das Geld als eschatologisches Subjekt des Werkes. Der Umgang mit ihm wird sowohl legitimiert als auch moralisiert und ebenso im Blick auf seine heilsgeschichtlichen Konsequenzen sanktioniert. Und: in der Konsequenz der planimetrischen Verspannungen ist es kein geringerer als Jesus selbst, der diesen Geldumgang einsetzt. In dieser Hinsicht könnte man von einem theologischen Programmbild sprechen: Es zeigt in einem strukturell dichten Zusammenspiel von Religion, Ökonomie und Kunst die Regeln des Geldumganges in einer als religiös aufgefassten Wirklichkeit. Das Bild stellt eine religiöse Wirklichkeit mit Mitteln der Kunst, aber nicht eine künstlerische Wirklichkeit dar.

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