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Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 1, Berlin 1970, S. 170.

 

Wenn Regans Kopf sich in zwei berüchtigten Szenen des Films zu 180 Grad rückwärts verdreht oder sie in umgekehrter Rückenstellung auf allen Vieren rückwärts die Treppe runterläuft, geht es eben nicht um geschmacklose Effekthascherei, sondern um die plastische Verkörperung jener ‹Mächte des Falschen›, die Gilles Deleuze in nietzscheanischer Manier dem Kino von Orson Welles attestiert hat.

Als einen weiteren filmischen Beitrag ‹über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne› liesse sich auch To Live and Die in L.A. (1985) charakterisieren, den Friedkin während einer Periode des amerikanischen Kinos gedreht hat, die gemeinhin eher abschätzig beurteilt wird – gilt das Hollywood der 1980er Jahre in cinephilen und filmwissenschaftlichen Historiografien doch häufig als eine Ära eines politischen und ästhetischen Niedergangs, der den ideologischen Konservatismus der Reagan-Administration mit dem Kommerzialismus kommodifizierter Bildoberflächen konvergieren lässt. Gerade aber weil sich To Live and Die in L.A. zu dieser glattpolierten Warenästhetik der 1980er Jahre eben nicht kritisch, sondern absolut immanent verhält, lässt sich aus dem Film eine strukturale Analyse der spätkapitalistischen Totalität extrapolieren, die sich zentral aus der allegorischen Figuration des Falschgeldes speist.

Im Gewand eines Agenten-Thrillers gelingt es dem Film auf eine ingeniöse dialektische Weise, das (Un)Wesen des Falschgeldes sowohl als Wahrheit als auch als Lüge des (Geld)Kapitals zu fassen: Falschgeld ist wahres Geld, nicht nur weil es für wahr gehalten wird, sondern auch, weil Falschgeld im Tausch ohne die Vermittlung einer Ware direkt in (mehr) Geld konvertiert wird: G-G’, wie es die Marx’sche Formel auf den Punkt bringt. Falschgeld bleibt aber falsches Geld, nicht nur weil die Fälschung trotz aller Perfektion enttarnt werden kann, sondern auch weil der Geldwert weder politisch (durch den Staat) noch ökonomisch (durch Arbeit) gedeckt ist. Deshalb hat Falschgeld als fingiertes, ja fiktionales Geld eine intrinsische Affinität zum Finanzkapital – Geld, das sich gegen Geld austauscht ist eben nichts anderes als G-G’ ohne den Umweg von G-W-G’: «Der Wert wird also prozessierender Wert, prozessierendes Geld und als solches Kapital. Er kommt aus der Zirkulation her, geht wieder in sie ein, erhält und vervielfältigt sich in ihr, kehrt vergrößert aus ihr zurück und beginnt denselben Kreislauf stets wieder von neuem. G-G’, geldheckendes Geld.» [1]

Als geldheckendes Geld gebiert sich das Falschgeld gleichsam von selbst – eine Art unbefleckte Empfängnis, die sich gerade in ihrer Fälschung als Reinform des Kapitals repräsentiert. Die Wahrheit des Falschgeldes ist seine Falschheit, die Falschheit des Falschgeldes seine Wahrheit.

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