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Dass dem Prozess einer stetigen Entmaterialisierung des Geldes, angefangen beim Papiergeld, das seinen repräsentationalen Halt zunächst noch in der Deckung und Wertgarantie durch Edelmetall (Gold, Silber) oder Grundbesitz findet, bis hin zu den vollends entreferenzialisierten Geldströmen in der gegenwärtigen globalen Finanzökonomie, ein entsprechender Fiktionalisierungsprozess des Geldzeichens korrespondiert, ist für die Frage nach den spezifischen Modi seiner visuellen Darstellung weitaus komplexer, als es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Weil Geld fiktiv ist (obgleich man soziologisch ergänzen muss, dass es sich um eine durchschaute Fiktion handelt), sind seine Darstellungsverfahren auch nicht mehr an eine substanzialistische Referenzfunktion wie in der Tradition des fotografischen Realismus gebunden. Dem reichhaltigen Bildrepertoire, das im Fall eines produktionsbezogenen Paradigmas noch zu Verfügung stand – man denke nur an das filmgeschichtlich stilbildende Beispiel der Lumière-Brüder, die Arbeiter beim Verlassen der Fabrik aufnehmen – stehen die sachbedingte Fiktionalisierung des Geldsymbols und seine bilderlosen Zirkulationsströme gegenüber. Fotorealistische Verfahren stossen hier an eine Grenze, weil ein Bild oder eine dokumentarische Filmaufnahme über eine Bank oder das Parkett einer Präsenzbörse praktisch nichts über die Operativität des Geldverkehrs verrät. [2]

An die Stelle einer naturalistischen Abbildperspektive drängen dann solche bildästhetischen Verfahren in den Vordergrund, die nicht mehr von der Behauptung einer phänomenologischen Unmittelbarkeit und Spontangewissheit der sichtbaren Welt ausgehen, sondern die auf ästhetische Konzepte und visuelle Übersetzungsleistungen wie z.B. die Metapher, die Metonymie, die Trope oder die Allegorie fokussieren. Es gilt: Je energischer die visuellen Darstellungsverfahren die gleichzeitige Existenz und das Oszillieren zwischen Zuständen der Sichtbarkeit und der Unsichtbarkeit, zwischen der Personifikation und der Abstraktion von Geld zum Thema machen, desto überzeugender und plausibler sind ihre Repräsentationsweisen. [3]

Die Suspendierung von Konzepten in der Tradition des klassischen Realismus als Medien der ökonomischen Wissensgenerierung zielt damit also keineswegs auf die Verabschiedung einer epistemologischen Funktion. Die hier versammelten Beiträge des Themenheftes eint vielmehr die Annahme, dass sich die epistemologische Wertschöpfung ökonomischen Wissens besonders plausibel in den unterschiedlichen Modi des filmischen Bewegtbildes (Film, Fernsehen, Internet) realisieren lässt. Die Behauptung eines kognitiven Mehrwerts in der Sichtbarmachung einer intransparenten und überkomplexen Ökonomie, den das Bewegtbild in seinen unterschiedlichen Artikulationsformen generiert, basiert dabei auf einer medienspezifischen Besonderheit des Filmischen, die eng mit der Prozessualität des Bewegtbildes zusammenhängt.

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