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Um einen Kontrapunkt zum Grünewald und auch zur Fixierung auf dramatische Brüche zu setzen, hat mein Hauptbeispiel hier aber einen ganz anderen Charakter. Es ist ein denkbar stilles Bild: eine jener einfachen Kreidezeichnungen, die Paul Klee in seinem letzten Lebensjahr angefertigt hat, und die er Eidola nannte – exemplarische Bildchen, deren abschiedlicher Charakter sich auf die Motive, aber auch auf die Bildlichkeit selbst erstreckt. Es geht um das Blatt weiland was? (nur noch Schemen).

Zu sehen sind zwei nur skizzierte Figuren, die mit geschlossenen Augen die Köpfe aneinander lehnen, wobei der rechte Arm der linken Figur die rechte an der Schulter berührt. Hinter den Köpfen der beiden ragt ein steil erhobener Arm hervor, der nicht recht zugeordnet werden kann: Er kann nur der rechten Figur gehören, passt aber weder anatomisch noch vom Gestus so recht zum Rest. Er könnte als das zuerst auffallende Moment von Ereignishaftigkeit gelten; ohne Richtung und im Grunde ohne Bewegung verwandelt sich seine Plötzlichkeit allerdings schnell in bloße Anwesenheit. Ebenso prominent wie die Figuren sind aber die Linien, aus denen sie bestehen. Dem ersten Blick könnte es scheinen, als ob die ganze Zeichnung aus einer durchgehenden Linie bestände. Sieht man genauer hin, stellt man schnell fest, dass das nicht so ist, aber der Eindruck bleibt bedeutsam:

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