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1. Prolog

Kunstbilder führen ein elitäres Dasein. Sie nötigen uns zu Respekt, fast zeitlos berührt ihre Aura. Was so nahe vor Augen steht, ist zugleich entrückt, anfassen ist untersagt. Gemälde betrachtend wissen wir zumindest eines: so etwas hätten wir niemals gekonnt; künstlerische Bildproduktion ist mühevoll, zumeist von unnachahmlicher Kunstfertigkeit. Wie anders erscheint da die Sprache. Als Muttersprache kinderleicht erworben, ist sie uns meist flüssig zu Diensten. Kaum etwas bedarf eines geringeren Equipments; kaum etwas ist einfacher zu ‹handhaben›, kaum etwas ist nützlicher. Wer sonst auch wenig Kompetenzen zeigt: reden geht immer!

Solche Aufgabelung zwischen kunstfertigem Bildvermögen und leichtfertigem Sprachvermögen produziert – natürlich! - eine Schieflage. Auch die Sprache kennt hochartifizielle Kunstwerke. Sollte es dann – im Umkehrschluss – nicht beim Bildermachen auch eine nützliche und allseits zuhandene Alltagsform der Bildlichkeit geben?

Was also bedeutet es Eigenart und Rolle des Bildlichen von seinem ‹Sitz im Leben› und seiner Verankerung im Gewöhnlichen her zu reflektieren? Nicht vom spektakulären Bild, von künstlerischer Meisterschaft, von einzigartiger ästhetischer Erfahrung auszugehen, vielmehr vom Selbstverständlichen eines alltäglichen Umgangs mit dem Bildlichen, in welchem es brauchbar oder auch überflüssig wird und überdies veralten kann? Was bedeutet es, wenn Emphase und Poesie der Sichtbarkeit und Visualität des Bildes als einer Feier des Augensinnes von der Prosa einer taktilen Handhabbarkeit, mobilen Zugänglichkeit und operativen Transformierbarkeit überlagert wird? Was also kann es heißen, das Bildliche vor dem Bild zu bedenken? Die Erörterung von Diagrammen und dem Diagrammatischen soll darauf eine – von übrigens vielen möglichen – Antworten geben.

2. Sternenbilder

Folgen wir einem Sternenbild, folgen wir dem Orion! [Abb. 1]

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