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Neben Lawrence Weiners Buch und Quasi-Einzelausstellung Statements (1968) existieren mit The Xerox Book (1968) und One Month (1969) beispielsweise zwei kuratierte Gruppenausstellungen, die sich damals der Notwendigkeit der Galerieausstellung komplett entledigten. Mit Themen wie Differenz und Wiederholung, aber auch Display, Reklame und Eigentum, waren diese Publikationen wichtige Meilensteile der Entstehung neuer Kunstformen vereint mit revolutionären Ausstellungsformaten.

Tatsächlich wurden alle möglichen Rahmenbedingungen ausgetestet. Ein Ausstellungsprojekt, das sich mit dem Begriff der Zeit befasste und gleichzeitig jedoch niemals im Raum einer Galerie realisiert werden sollte, war die von Siegelaub kuratierte Kalenderpublikation One Month, für die er einzelnen Künstlern jeweils eine Kalenderseite und damit einen ganz bestimmten Monatstag als Gestaltungsraum zuwies. Damit spielt One Month raffiniert mit der üblichen Dauer einer Ausstellung in einer Galerie – hier virtuell den 31 Tagen des Monats März 1969 – aber der architektonische Raum wurde gänzlich auf den Raum der Papierseiten verlagert, jeweils für eine Tageslänge für sich allein stehend sichtbar.

Auch wenn der massenproduzierte virtuelle Raum seit Gutenberg eine der vielen Errungenschaften des Buches darstellt, ist es wichtig, darüber nicht seine realen, materiellen Eigenschaften – wie relativ billig, beweglich und tragbar – zu vergessen. [19] Das Buch ist ein echter Raum und manche Buchwerke spielen mit dieser Wirklichkeit, indem sie architektonische Räumlichkeit und Objekthaftigkeit in andere Wahrnehmungsebenen übersetzen, um sie auf und zwischen die Seiten eines Buches «einzufalten». Ohne Verankerung mit einer physischen Ausstellung in einer Galerie reichen solche Arbeiten von Leporellos wie Ed Ruschas eindrucksvollem Every Building On The Sunset Strip (1966) über rein textbasierte, konzeptuelle Editionen wie die bereits erwähnten Statements von Lawrence Weiner bis hin zu den kinematischen flip books wie Cover to Cover von Michael Snow (1975).

Während Weiner seine Texte bekanntermassen als «Skulpturen» bezeichnet, versteht Ruscha seine gedruckten Fotografien als «Readymades». Tatsächlich ist das Verhältnis von Fläche und Tiefe ein zentrales Thema für das mehr als 7,6 Meter lange, gespiegelte Panorama des Sunset Strip, über das Ruscha einmal Folgendes sagte: «Irgendwie ist das eine Westernstadt. Die Fassadenfläche einer Westernstadt ist auch einfach aus Papier und alles dahinter einfach nichts.» [20]

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