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Dass in diesem Zusammenhang überhaupt von Professionskompetenz und Professionsethik sinnvoll gesprochen werden kann, und zwar als zwei getrennte, aber aufeinander bezogene Sphären, bringt der Spiegel und der mit ihm im Bild erscheinende Kunde ins Spiel. [15] Gerade der Spiegel ist es, der in seiner Lage auf der banca, die Trennung der Sphären provoziert: Er liegt genau in der Verlängerung der vertikalen Achse, die sich aus der sanften Berührung der Oberarme des Geldwechslers und seiner Frau ergibt. Läge der Spiegel nicht da (wo er liegt), dann würde die Frau des Geldwechslers interessiert der Tätigkeit ihres Mannes zu sehen. Der Spiegel und der in ihm sichtbare Kunde bringt erst die Trennung der Sphären mit sich. Sie scheint im Rahmen einer Geschäftsbeziehung notwendig, um das Geschäft als Geschäft überhaupt erst möglich zu machen. In diesem Sinne wäre der Spiegel, stark gesprochen, Reflexionsinstanz auf die Bedingungen, unter denen Geldgeschäfte stehen.

Damit ist bildlich auch klar: es geht nicht um ein Ansammeln von Reichtümern, sondern um Geld als Handelsobjekt, genauer: als Gegenstand des Handels. In diesem Sinne ist das Thema des Bildes der Handel mit Geld und seine moralische Legitimität im Rekurs auf die Religion. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang erlaubt in diesem Sinne von einem ökonomischen Programmbild zu besprechen: es zeigt in einer religiös dynamisierten Gesellschaft die Regeln für den Handel mit Geld auf professioneller wie auf moralischer Seite, die jetzt als zwei getrennte Sphären auftreten. [16] In diesem Sinne erscheint der Rekurs auf die Religion nicht mehr so sehr als Rekurs auf eine Legitimationsinstanz, sondern eher als Rekurs auf eine Supervisionsinstanz. Ökonomie und Religion haben sich im Bild von Quentin Massys ein Stück weit entflochten.

IV.

Springt man von Quentin Massys abschliessend noch einmal durch die Geschichte, und zwar ein ganzes Stück weit, landet man in der künstlerischen Beschäftigung mit Geld in der klassischen Moderne und hier insbesondere bei Marcel Duchamp und seinem Tzanck Check von 1919 [Abb. 4]. Es handelt sich um einen vom Künstler selbst angefertigten Check, 21 x 38 cm gross. [17] Mit ihm hat Duchamp 1919 seinen kunstsinnigen Zahnarzt bezahlt, der ihn wohl mehr als Sammler denn als Zahnarzt als Zahlung akzeptierte. [18] Dieser Scheck lässt sich in doppelter Weise beschreiben: einerseits als Wertpapier, das eine Zahlungsanweisung enthält, andererseits als Zeichnung, die einen etwas vergrösserten Standardscheck akkurat darstellt. Dem Anspruch nach ist es damit Kunstwerk und Wertpapier in einem, beides scheint ineinander geschoben.

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