>>
[25]

Vgl. Boltanski, Enigmes et complots (Anm. 2), S. 275f.

 

Bei dem dargestellten Argument – Geld und Schuldige würden aus Luft erschaffen – wird an voraussetzbares Wissen angeknüpft, um darüber hinaus mit nicht-voraussetzbarem Wissen selektiv zu hantieren: Dass ein Kredit zurückgezahlt werden muss, dass der Staat sich verschulden kann oder dass Geld vorwiegend digital existiert, leuchtet dabei in dem Masse ein, wie nicht auffällt, dass zwischen monetärer Basis und Geldmenge differenziert werden muss oder zur Reservevorschrift die Liquiditätspräferenz hinzukommt, die den Geldmultiplikator kontrolliert.

Während die konspirative Erzählung mittels der Darstellung von Entitäten, wie das Fed oder einzelnen Bankern, im Film davor die Geschichte des Finanzsystems erzählbar machten, verunmöglicht hier die Darstellung eines Systems, das sich zwar ‹ereignet›, aber keine eigentlichen Ereignisse zu verzeichnen hat, auch die Erzählung der Geschichte. Die schwarz-weiss Szenen weisen darauf hin, dass es sich hier um ein System handelt, das sich vor geraumer Zeit etabliert hat und nun, entmenschlicht und in digitaler Form, weiterprozessiert. Dies zeigt beispielsweise die das System erklärende Rechenszene, die mittels der grünen Zahlen an den Spielfilm Matrix der Brüder Wachowski erinnert (USA 1999).

Die unnötig vielen Nullen und die eigentümlichen Rechenfehler weisen darauf hin, dass es sich hier nicht um einen ernsthaften Erklärungsversuch der zahlenbasierten Bankenpraxis handelt. Die Korrektheit der Zahlen in diesem Netz der flimmernden Transaktionen ist dabei nicht entscheidend, sondern die Szene versinnbildlicht vielmehr, dass die Flüsse längst nicht mehr nachvollziehbar sind bzw. in welchem Masse sich das offiziöse Rechensystem seiner Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit bereits entzogen hat.

Zur Darstellbarkeit ökonomischer Prozesse und der Urteilsmöglichkeit über die Kausalität eines ‹Zeitgeists›

Im Internet als einem von professioneller Prüfungsinstanz freien Kommunikationsraum akkumulieren sich verschwörungstheoretische Untersuchungen zum Geldmedium, der Finanzwirtschaft und der Rolle des Staates derart, dass sie die «Besorgnis über eine gesellschaftsweite Paranoia-Epidemie» [25] stützen. Demgegenüber transformiert sich das ZEITGEIST-Narrativ trotz der fehlenden gatekeeper-Instanz und grossen Aufmerksamkeit für die Ermittlung im Internet von einer Anprangerung auf der Basis von spekulativem Wissen zu einer an der ‹wissenschaftlichen Beweisführung› orientierten Erklärung des Geldschöpfungssystems.

<<  Ausgabe 05 | Seite 60  >>