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Angeleitet durch die theoretischen und methodologischen Ansätze des französischen Soziologen Luc Boltanski sowie durch seine jüngsten Arbeiten zur Ermittlung von Rätseln und Komplotten, möchte ich versuchen, in den spezifisch filmischen Darstellungsweisen des Ökonomischen in der ZEITGEIST-Trilogie Effekte zu zeigen, die auf dessen Unsichtbarkeit zurückzuführen sind. Während das ZEITGEIST-Narrativ verspricht, Einblicke in die ‹Hinterbühne› des ökonomischen (Geld-)Systems zu gewähren, was ihm nicht zu Unrecht den Vorwurf des Verschwörungswissens eingebracht hat, so soll hier dagegen vor allem die ‹Kompetenz› dieser spezifisch visuell argumentierenden Amateursermittlung untersucht werden.

Boltanskis Analytik der Figur der Ermittlung

In Enigmes et Complots untersucht Boltanski den Zusammenhang zwischen der Expansion von wie auch immer gearteten Ermittlungen und einer sich radikalisierenden Realitätsungewissheit. [2] Die soziale Realität bestehe aus präetablierten Formaten, mit deren Hilfe Ereignisse in kausale Relationen gebracht und dadurch mit Sinn versehen werden könnten. Diese offizielle, jedoch als fiktiv erfahrene RÉALITÉ gewährleistet nach Boltanski ein notwendiges Mass an Sicherheit im sozialen Alltagshandeln. [3] In der Studie fokussiert Boltanski nun jene Ereignisse, die als Anormalitäten aufscheinen, insofern hier die vertrauten Formate zur Stabilisierung des Welt- und Wirklichkeitsverhältnisses ausfallen. Auf die dadurch provozierte Ungewissheit darüber, «was es mit dem, was ist, auf sich hat», [4] erfolgt nach Boltanski eine Ermittlung, durch welche im Gegensatz zu der offiziellen RÉALITÉ eine offiziöse, aber tatsächliche réalité aufgedeckt wird. Die Repräsentationen dieses Konfliktes zwischen RÉALITÉ und réalité untersucht er sowohl in der Literatur wie auch in der Wissenschaft. [5]

Als Träger der offiziellen Realität macht er den modernen Staat aus, da dieser den szientifischen Institutionen zur Qualifikation und Reproduktion der semantischen Raster zur Wirklichkeitsdeutung die notwendige Autorität verleiht und sie systematisiert. Seit seiner liberaldemokratischen Neukonzeptualisierung Ende des 19. Jahrhunderts sei es das Kernanliegen des Nationalstaates, der Population auf seinem Territorium eine transparente Realität zu garantieren. Demgegenüber stellen für Boltanski die anonymen Geldströme des Kapitalismus den zentralen Störfaktor dar, der den Anspruch des Nationalstaates auf die Durchsetzung einer transparenten Realität zunehmend unterminiert. [6] Literarisch ist das Geld Beweggrund für Verbrechen und Komplotte und so wird das Geldmedium zugleich als Instrument und Symbol der Korruption thematisiert.

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