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Anhand der Mitgliederzahlen des Internetnetzwerks lässt sich erkennen, dass insbesondere der erste Teil mit seinem verschwörungstheoretischen Tenor Aufmerksamkeit erregen konnte. Die darauf folgende Adaption, die Erklärung des de-personifizierten ökonomischen Systems, hat vermutlich nicht unwesentlich zu einem merklichen Nachlassen des Interesses an der Bewegung geführt.

Problematische Amateursermittlungen: Normalität kausaler Zusammenhänge

Die medialen Ermittlungen zu ökonomischen Machenschaften häufen sich im Internet derart, dass der Schluss naheliegt, der Glaube an die Existenz von Komplotten sei ein genuines Merkmal der zeitgenössischen Gesellschaft. Tatsächlich ist aus Mangel an Längsschnittstudien jedoch nicht überprüfbar, ob der Glaube zugenommen hat oder ob dieser Eindruck schlicht auf einen Multiplikatoreffekt internetbasierter Repräsentationen zurückzuführen ist. [12] Wie hier zu zeigen versucht wird, geht mit dem offenen Zugang zum Internet nicht einfach eine Beliebigkeit der Darstellungsweise und Inhalte einher, sondern können diese in Bezug auf den sozialen Normalitätssinn analysiert werden, demgemäss das Urteil über die dargelegte Ermittlung gefällt wird.

Dies ist auch durch die Form des Komplotts bedingt, der seine Intelligibilität nicht in sich trägt, sondern diese erst in der Enthüllungsoperation erhält, in der RÉALITÉ und réalité sich gleichzeitig zeigen. [13] Bis dahin bleibt die Ermittlung Komplott-Theorie, also eine Unterstellung auf der Basis eines spekulativen Wissens, was eine Entscheidung zwischen wahr und falsch versperrt. [14] Daher entscheidet bei Ermittlungen zu Komplotten nicht der Wahrheitsgehalt über ihre soziale Akzeptanz, vielmehr erfordert die Frage, wann eine Geschichte akzeptabel ist und wann nicht, Boltanski zufolge eine Reflexion der jeweiligen Grammatiken hinsichtlich ihrer Normalität, Wahrscheinlichkeit und Kausalität. [15]

Ermittlung einer Ermittlung: Das visuelle Narrativ der ZEITGEIST-Trilogie

Bezüglich dieser Grammatiken müssen sich im Internet verbreitete Ermittlungen deshalb kompetent zeigen, da davon das Urteil über die Darlegung abhängt, was schliesslich die Aufmerksamkeitsspanne dafür bestimmt. Die visuelle Ausführung richtet sich an ein abstraktes Publikum als «Richter», dessen Normalitätssinn insofern getroffen werden muss, als Reaktionen auf die öffentliche Bezichtigung erhofft werden.

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