Jean-Joseph Goux, Freud, Marx. Ökonomie und Symbolik, Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1975, S. 101.
Und dass Masters das Falschgeld zudem noch in der Wüste ausserhalb von L.A. herstellt, ist die finale Ironie einer Ökonomie des Trugbildes, die quasi in der Leere der Wüste geldheckendes Geld generiert, während die traditionell industriellen Cityscapes in der Credit-Sequenz deutlich vom Verfall gezeichnet sind. Im Falschgeld realisiert sich eine Tendenz zur Abstraktion, die Jean-Joseph Goux zufolge dem kapitalistischen Prozess der ‹Realabstraktion› strukturell und historisch immanent ist:
«So ist die Geschichte der Monetarfunktion grundlegend gekennzeichnet durch die Entwicklung auf Abstraktion und Konvention hin. An die Stelle des Produkts mit einem materiellen Wert treten nach und nach immer abstraktere Geldzeichen. In der Geldentwicklung findet ein Übergang statt vom Substrat zum Fetisch, vom Fetisch zum Symbol und vom Symbol zum bloßen Zeichen; eine Bewegung der Idealisierung, ein Übergang vom Substrat zum Verhältnis. Diese allgemeine Bewegung ist exemplarisch. Vom materialisierten Wert wird das Geld zum Goldzeichen. Und von da zum bloßen Wertzeichen. Zeichen oder Repräsentant einer hypostasierten Abstraktion.»
In To Live and Die in L.A. sind jedoch nicht nur die monetären Verhältnisse von der Abstraktion gezeichnet, auch die Geschlechterverhältnisse werden von einer Entsubstanzialisierung erfasst, die sich symptomatisch sowohl in der hyperbolischen Heterosexualität von Chance als auch in der performativen Bi- oder Homosexualität von Masters zeigt. Ihre Objektwahl wird weniger von amourösen Affekten als vielmehr von ökonomischem Kalkül gesteuert: Chance hält sich in Ruth nicht nur eine Informantin, die er jederzeit wieder ins Gefängnis zu schicken droht, sondern auch eine Sexualpartnerin, über die er mit totaler Verfügungsgewalt agiert.
Wenn er sich in einer Szene des Films mit affektloser Coolness entkleidet, um mit Ruth zu schlafen, kippt jedoch die prononcierte Maskulinität durch Friedkins visuelle Strategie fast in ihr Gegenteil: Das Bild des nackten Chance, der mit deutlich sichtbarem Geschlechtsteil vor den Jalousien des Fensters steht, ruft mit den Silhouetten der Jalousie nicht nur ein zentrales Designaccessoire der 1980er Jahre auf, sondern evoziert auch deutlich die homosexuelle Ikonografie des männlichen Pin-ups. Diese hier noch unterschwellige Homoerotik von Chance wird in der Konfrontation mit Masters immer evidenter: «You’re beautiful» sagt Masters in einer späteren Szene zu Chance und meint dabei sowohl das Geld als auch ihn. Chance erwidert diese Liebeserklärung bei der nächsten Transaktion, als er von Masters schliesslich das Falschgeld erhält: «You’re beautiful.»