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So hat bspw. Bud Fox, der Protagonist von Wall Street (USA 1987) eine Beziehung mit der ehemaligen Geliebten seines Mentors Gordon Gekko; in Boiler Room (USA 2000, deutsch: Risiko) hat der Protagonist ein Verhältnis mit einer Sekretärin des Handelsbüros, die zuvor eine Beziehung zu seinem Vorgesetzten hatte; in Working Girl (USA 1988, deutsch: Die Waffen der Frauen) verführt Tess McGill den Partner ihrer Chefin; in Dealers (GB 1989) hat eine Händlerin erst eine Affäre mit ihrem Boss und anschliessend mit ihrem Arbeitskollegen. Diese Reihe liesse sich weiter über verschiedene Subgenres und Altersfreigaben hinweg fortsetzen. Das Motiv der sexuellen Zirkulation taucht unabhängig davon auf, ob es sich dabei um einen komödiantischen oder einen dramatischen Film handelt, der von der Finanzökonomie erzählt.

Die Darstellung der Sexualität, wie sie die Filme pflegen, legt eine Analogie zwischen dem Beziehungsleben der in die Finanzökonomie inkludierten Individuen und der Zirkulation von Wertpapieren an der Börse nahe. Demgemäss affiziert die Logik der Finanzökonomie sogar die intimsten Sphären derjenigen, die mit ihr in Berührung kommen. Dies impliziert einen transgressiven Typus von Inklusion, der sich als Überinklusion beschreiben lässt. [3] In den Filmen wird eine solche Form der Inklusion als finanzökonomische Normalität dargestellt, die selten explizit thematisiert wird. Entsprechend erscheint auch die Zirkulation der Sexualpartner als eine Selbstverständlichkeit, die keiner eingehenden Thematisierung bedarf.

Problematisiert wird dies nur, wenn sich eine/r der Protagonist/innen dem Ringelreigen der Sexualpartner/innen verweigert. So z.B. in Boiler Room, wo der Vorgesetzte des Protagonisten versucht, dem Protagonisten eine Beziehung mit seiner ehemaligen Partnerin zu verbieten, oder im Film Wolves of Wall Street (USA 2002), in dem der Protagonist es ablehnt, seine Partnerin mit dem CEO des Unternehmens zu teilen, für das er arbeitet. Eine solche Verweigerung wird aus der Perspektive der filmischen Finanzökonomie in einer Inversion der bürgerlichen Moral als Verstoss gegen die guten Sitten gewertet. Das gilt auch für die Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen wie Prostitution, Strip-Tease oder Lap-Dance, die ich hier als Varianten sexueller Zirkulation begreife.

In den Filmen über die Finanzökonomie sind derartige sexuelle Dienstleistungen ein charakteristisches Element der Kultur der Finanzökonomie. Der Verkehr mit Prostituierten dient dabei auch als Übergangsritual im Zuge der Inklusion in die Finanzökonomie. So verkündet das Klopfen des von seinem Mentor Gorden Gekko bestellten Call-Girls an der Wohnungstüre von Bud Fox, dass er nun zu den «Playern» der Finanzökonomie gehört (Wall Street).

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