>>
[9]

George Bataille, Kinsey, die Welt der Arbeit, in: ders., Die Erotik, München 1994, S. 145–160.

 

Der andere Typ menschlicher Aktivitäten umfasst die unproduktiven Verausgabungen wie Luxus, Krieg, Spiele, Kunst und Sexualität. Unproduktive Verausgabungen sind in sich selbst wertvoll und erfüllen keine Funktionen für Ziele, die ausserhalb der Tätigkeit selbst liegen. Solche Aktivitäten haben, so Bataille, eine viel grössere Intensität als produktive Verausgabungen, und sie bedingen hohe Risiken, hohe Verluste und Leidenschaften. Unproduktive Verausgabungen haben demnach keinen produktiven Nutzen, sie verfügen über affektive Qualitäten aber sie negieren die Rationalität der produktiven Ökonomie.

Die von Bataille erläuterten differierenden Qualitäten der Homogenität und der Heterogenität und deren Beziehung zur Arbeit kann man auch auf dem Feld der Sexualität beobachten. Da für Bataille alles mit Verboten belegte zur Sphäre des Heiligen gehört, hat die Sexualität einen heiligen Charakter. In seinen Arbeiten zur Erotik verweist Bataille auf die Daten der Kinsey-Studien und kommt zu dem Schluss, dass produktive Arbeit die Sexualität einschränkt und negiert. Dabei richtet er sein Augenmerk auf eine Variable, die die Anzahl der Orgasmen pro Woche angibt und führt aus, dass von denjenigen Personen, die angeben, sieben oder mehr Orgasmen pro Woche zu haben, lediglich zehn Prozent einer produktiven Arbeit nachgehen. Dagegen stellen Personen, die man zur ‹Unterwelt› zählt, 49,7% der Personen, die angeben sieben oder mehr Orgasmen die Woche zu haben.

Für Bataille bestätigen diese Zahlen seine Hypothese, dass produktive Arbeit die Menschen auf ein Objekt reduziert, das keinen Wert in sich besitzt. Die Sexualität ist dagegen kein Objekt, und sie kann nicht wie ein Werkzeug verwendet werden, weil der sexuelle Akt Engagement und Partizipation verlangt. Dabei ist der Sexualtakt aus einer utilitaristischen Perspektive eine unproduktive Verausgabung par excellence – d.h. sie ist eine Verschwendung von Energie und Zeit. Daher ist die Sexualität für Bataille ein Element, das die Reduktion des Menschen auf ein Objekt verhindert. [9]

Heterogenität der filmischen Finanzökonomie

Batailles Ausführungen zur Homo- und Heterogenität helfen bei der Analyse der kinematographischen Repräsentation der Finanzökonomie, da die meisten dieser Filme das Soziale auf eine ähnliche Weise dichotomisieren, auch wenn sie die beiden Seiten des Sozialen vollkommen anders bewerten. Während Bataille bezüglich seiner Einschätzung der Heterogenität eine starke Ambivalenz zeigt, deren antibürgerlichen, antiutilitaristischen Charakter der heterogenen Sphäre jedoch begrüsst, wird die Bedrohung der bürgerlichen Moralvorstellungen und Ethiken von den Filmen verdammt.

<<  Ausgabe 05 | Seite 68  >>