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Dennoch können zahlreiche Elemente, die Bataille der heterogenen Sphäre zuschreibt, in den filmischen Beschreibungen der Finanzökonomie wiedergefunden werden. Wie Bataille beschreiben die Filme die industrielle Produktion als Grundlage der traditionellen bourgeoisen Gesellschaft. Die Finanzökonomie wird dagegen als ein Exzess aufgefasst, der zutiefst amoralisch ist oder zumindest die Quelle amoralischen Verhaltens darstellt. Folgt man den Filmen, liegt der Skandal der Finanzökonomie darin, dass sie unproduktiv ist. Den Höhepunkt des Films Wall Street bildet eine Sequenz, in der Gordon Gekko Bud Fox die Prinzipien der Finanzökonomie erklärt:

«It’s all about bucks, kid. The rest is conversation. […] It’s a zero-sum game. Somebody wins, somebody loses. Money itself isn’t lost or made, it’s simply transferred from one perception to another, like magic. Capitalism at his finest! […] I create nothing. I own. We make the rules, pal. The news, war, peace, famine, upheaval, the price of paperclip. We pick that rabbit out of the hat while everybody wonders how the hell we did it. You’re not naïve enough to think we’re living in a democracy, are you, Buddy?»

Die Essenz von Gordon Gekkos Erklärung liegt darin, dass die Finanzökonomie nichts produziert und lediglich an einer Redistribution von Geld interessiert ist. [10] Moralische Prinzipien oder menschliche Tragödien sind dagegen für die Finanzökonomie irrelevant. Dass dieses moralische und ethische Desinteresse die klassische Produktionsökonomie bedroht, ist eines der zentralen Themen der meisten Filme über die Finanzökonomie. In Wall Street gefährdet Gordon Gekkos Gier tausende industrielle Arbeitsplätze, in Other Peoples Money (USA 1991, deutsch: Das Geld anderer Leute) bedroht das Gewinnstreben eines Investors mit dem Spitznahmen ‹Larry the Liquidator› ein Traditionsunternehmen und Boiler Room zeigt, wie eine betrügerische Aktienemission eine mittelständische Familie ruiniert. Bereits der mutmasslich erste Film über die Finanzökonomie, D.W. Griffiths A Corner in Wheat (USA 1909) zeigt, wie das blinde Gewinnstreben an der Börse die landwirtschaftliche Produktion zerstört, Familien in die Armut treibt und Hungersnöte verschuldet.

Gordon Gekko verdeutlicht überdies, dass Demokratie nur eine Illusion ist, während in Wirklichkeit die Welt von der Finanzökonomie regiert wird. Deren Herrschaft kümmert sich nicht um das Wohlergehen oder um die Partizipationschancen von Menschen, vielmehr handelt es sich um eine Art Despotismus, der sich lediglich für Gewinne interessiert. Während die bürgerliche Gesellschaft versucht, zumindest wohltätig zu wirken, ist der Finanzökonomie eine solche Intention fremd.

<<  Ausgabe 05 | Seite 69  >>